Review: Bonaparte – Was mir passiert

Das erste Hören ist wie ein Sprung ins kalte Wasser – unangenehm. Aber nach und nach gewöhnt man sich daran und kann für ein paar Minuten drin bleiben.

Die 15 Songs, alle auf deutsch, werden von Reggaeton-Beats dominiert, die ein wenig hölzern klingen. Dieses Geklapper zieht die gesamte Stimmung schwer in Richtung trapiger Urlaubssoundtrack, komplettiert durch afrikanische Gesänge, die manchmal plötzlich aus dem Nichts auftauchen und wieder verschwinden. Weniger das Problem sind diese Zutaten an sich – vielmehr deren Einsatz. Ungerichtet und konfus gesetzt, verheddern sich die Ideen zu einem großen Wirrwarr. Verbindenes Element ist die Überladung.

Nach der Hälfte der Platte können die restlichen Titel gedanklich ergänzt werden, da Aufbau und Charakter sich nicht besonders unterscheiden.
Das Ganze ist dabei nicht selbstironisch genug, um als charmant durchzugehen. Alles irgendwie mehr gute Absicht, als gute Umsetzung. Keine runde Sache und auch nicht auf den Punkt.

Natürlich ist es wünschenswert, wenn Künstler neue musikalische Richtungen einschlagen, aber man muss auch feststellen, dass es Dinge gibt, die besser funktionieren als andere. Es hätte doch alles so schön klappen können – Aufnahmen aus Afrika, ein sympathischer Berliner Künstler und für den Notfall noch zwei Drittel der Ärzte.
Das Nacheifern des Stils von deutschsprachigen Bands wie Bilderbuch und Von Wegen Lisbeth gepaart mit Elementen des französischen Pops wirkt und klingt gesichtslos und mainstreamig. Die französische und englische Sprache steht der Musik des Schweizers einfach besser und macht sie markanter.

Der Zugang zu den Texten ist jedoch auf diesem Album ein anderer. Auf der Muttersprache entfalten sich die Zeilen und kommen einem plötzlich ganz nah. Lyrische Höhenflüge durchziehen die Songs. Es wird deutlich: Tobias Jundt ist ein guter Texter, egal auf welcher Sprache. Überraschend ernst kann es werden, Neues Leben und Und mich lassen den Lauschenden mehr als einige Male betreten schlucken: ,,Alle hastigen Züge zu dir fahre ich zurück durch die Plattenwiesen, kaum Mai jede Ankunft bei dir ein Abschied mehr“.

Zu den stärksten Songs gehören Und ich und der Coversong Dene wos guat geit mit Sophie Hunger.
Big Data mit Farin Urlaub und Bela B ist ein Zeitzeugnis unserer digitalisierten Welt und medienpädagogisch sehr zu befürworten. Aber auch hier, eigentlich möchte man, dass es gefällt, aber keine Funken springen über. Ziemlich lieblos und unsicher hört sich dieser Song an. Der Text entlockt einem in regelmäßigen Abständen ein „Hä?“. Auch hier wirkt die Überladung durch Effekte eher kontraproduktiv und stellenweise störend.

Das Album funktioniert nur in der Theorie und nicht in der Praxis. Diese musikalische Planwirtschaft erzeugt leider keine begeisterten Zuhörer. Ein bisschen mehr Zeit hätte dem Album gut getan, um sich qualitativ zu verdichten. Ein Konzentrat aus diesen 15 Songs wäre gehaltvoller gewesen. Dennoch, ein Neuanfang erfordert immer Mut und ist einem Künstler in jedem Fall hoch anzurechnen. Nice try, please try again!

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Label: Columbia / Sony
VÖ: 14.06.2019

Genre: Indie

Vergleichbar:
Bilderbuch – Schick Schock
Von Wegen Lisbeth – Grande

Wertung:
7/15