Livereview: La Dispute + Support, Schlachthof Wiesbaden, 08.07.2019

In sich gekehrter Post-Hardcore, humorvoller Punkrock und feministischer Post-Hardcore: La Dispute, Milk Teeth und Petrol Girls schnüren auf ihrer Tour eines der besten Tour-Band-Pakete des Jahres.

Petrol Girls-1

Es ist keine vier Wochen her, dass Ren Aldridge auf der Bühne des benachbarten Kesselhauses gestanden hat. Nach dem Co-Headliner-Konzert mit War On Women dürfen Petrol Girls heute allerdings in der deutlich größeren Halle auftreten. Der damals erkrankten Frontfrau geht es nun wieder gut, was sich in einer noch energetischeren Bühnenperformance der Britin niederschlägt. Zum packenden und sowohl politischen als auch selbstreflexiven Post-Hardcore ihrer Band hüpft Aldridge wie ein Duracellhase über die Bühne und findet zwischen den Songs dennoch genug Luft, ihre Texte durch gezielte Ansagen zu erweitern. Es scheint, als wäre für die DIY-Band mittlerweile keine Bühne mehr zu groß, denn zu jeder Zeit seines 30-minütigen Auftritts darf das Quartett einem gespannten Publikum entgegenblicken. Insbesondere die neuen Songs vom fantastischen zweiten Album Cut & Stitch funktionieren heute besonders gut, während die Wut-hält-am-Leben-Message von Survivor unmissverständlich vor der Bühne ankommt. Den meisten Applaus ernten Petrol Girls aber erneut für Touch Me Again, dessen Kernaussage sich trotz der Barriere zwischen Band und Publikum in Form von vermehrter Gänsehaut auf manch tätowierten Armen niederschlägt.

Milk Teeth-1

Auf den ersten Blick passen Milk Teeth stilistisch nicht so ganz zwischen die beiden Post-Hardcore-Bands, in der Praxis funktioniert der Punkrock der Briten dagegen als perfekter Pol zwischen den beiden doch verschiedenen Interpretationen des Genres. Wie auch schon Petrol Girls kostet das Trio von der Insel seine halbstündige Spielzeit ebenfalls voll aus. Insbesondere Schlagzeuger Oli Holbrook scheint mit seinem schelmischen Grinsen und rhythmischen Schulterzucken besondere Freude am Auftritt seiner Band zu finden und wagt vermehrt den Weg von seinem Schlagzeug zur Vorderkante der Bühne, um das Publikum weiter anzuheizen. Bassistin und Sängerin Becky Blomfield konzentriert sich dagegen auf ihr Bassspiel und auf die pointierten Einsätze ihrer rauchigen Stimme. Gitarrist und Sänger Em Foster ,,glänzt“ vor allem damit, ein Gitarrensolo ,,wie das von Killswitch Engage“ anzukündigen, nur um das Gitarrensolowesen mit einem absichtlich schlechten Solo auf die Schippe zu nehmen. Humor, welcher vor der ernsten Musik des Headliners bitter nötig ist.

La Dispute-1-2

Der atmosphärische Geschichtenerzähler-Post-Hardcore von La Dispute ist absolute Stimmungssache. Mit den düsteren Texten über Trauer, Schuld und Verlust will sich Frontmann Jordan Dreyer auf die Gefühle vorbereiten, die einen überrennen können, wenn man eine geliebte Person verliert. Dem Sänger des US-Quintetts geht es nämlich eigentlich so gut wie nie. Das merkt man Dreyer auch an, so flink wie er über die Bühne huscht und in jedem Song ein Motiv findet, welches er in ein kleines Tänzchen ummünzt. Das Publikum dankt es ihm in den härteren Songs mit kleineren Moshpits und in ruhigeren Nummern mit aktivem Lauschen. Schon der Doppel-Opener Fulton Street I II beweist, dass sich die neuen Songs vom vierten Album Panorama perfekt zwischen die alten Songs schmiegen.

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Ihr Debütalbum Somewhere At The Bottom Of The River Between Vega And Altair, welches vergangenes Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feierte, widmen La Dispute mit immerhin drei Songs, Rooms Of The House ist mit vier Songs vertreten, von Panorama gibt es noch Footsteps At The PondRhodonite And Grief und View From Our Bedroom Window zu hören, während das zweite Album Wildlife mit sieben Songs mehr als ein Drittel der Setlist ausmacht. All dies ist eingebettet in eine reduzierte und stimmungsvolle Beleuchtung durch mehrere Salzlampen. Sympathiepunkte sammeln La Dispute insbesondere durch die Ankündigung von Dreyer, zwar Zugaben zu spielen, davor aber nicht die Bühne zu verlassen, um sich ,,für kurze Zeit irgendwo zu verstecken, um dann wieder aufzutauchen und sich feiern zu lassen“. Dann ist es auch verschmerzbar, dass La Dispute in ihrer 75-minütigen Performance keinen Platz für ihren vielleicht besten Song King Park finden.

© Fotos von Valentin Krach