Livereview: Van Holzen + Support, Kesselhaus Wiesbaden, 20.11.2019

Im vergangenen Jahr waren Van Holzen im Abstand von jeweils etwa einem Monat im Mainzer Schon Schön, im Wiesbadener Kesselhaus und auf dem Wiesbadener Youth Culture Festival zu Gast. Ungefähr anderthalb Jahre später führt die Spur des Ulmer Trios zurück ins Rhein-Main-Gebiet und in den Wiesbadener Schlachthof, dieses Mal mit dem neuen Album Regen und einem bockstarken Support im Gepäck.

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Der hört auf den Namen Drens, kommt aus Dortmund und spielt in Quartett-Besetzung wunderbar eingängigen Surf-Punk mit Power-Pop-Einschlag. Ein Album oder eine EP haben Drens noch nicht vorzuweisen, stattdessen haben sie ihre bisherigen sieben Singles Ende September unter dem Titel Sunny Side Up als Kompilation veröffentlicht. Die gibt es natürlich am Merchandise-Stand zu erwerben, genauso wie die knallroten Shorts, in denen die Band heute Abend auf der Bühne steht. Ihr Aushilfsbassist wirkt in seiner adretten Jeans-Hemd-Kombination dagegen eher wie der gezügelte Manager einer jungen Band, der persönlich sicherstellt, dass diese keine Faxen anstellt. Spaß beiseite – Drens versprühen mit ihrer Musik und ihrem lässigen Auftreten so viel Freude, dass man einfach nicht anders kann, als fröhlich zur Musik auf- und abzuwippen. Ein zwischenzeitlicher Instrumentenwechsel von Schlagzeuger Joel und Gitarrist und Sänger Fabian verdeutlicht wiederum die ungemeine Spielfreude der erst 2017 gegründeten Band. Songs wie Curacao oder das positiv gehetzte Bicycle Rider lassen die eisigen Temperaturen vor der Tür vergessen und spenden dem Publikum die Wärme, die es vielleicht nicht nur wegen der aktuell herrschenden Temperaturen bitter nötig hat.

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Ziemlich genau 18 Monate ist es her, dass Van Holzen noch als Vorgruppe für Heisskalt auf der Bühne des Kesselhauses gestanden haben. Seitdem ist viel passiert: Heisskalt haben auf unbestimmte Zeit eine Bandpause eingelegt und Van Holzen haben ihrem fantastischen Debütalbum Anomalie einen ebenso gelungenen Nachfolger spendiert. Den präsentieren die Schwaben aktuell auf ihrer bislang größten Tour. Seit dem 1. November ist die Reisegruppe durch den deutschsprachigen Raum unterwegs und nach der Show in der hessischen Landeshauptstadt folgen noch sieben weitere Konzerte. Von Müdigkeit allerdings keine Spur: Zehn Minuten früher als eigentlich geplant eröffnen Van Holzen um 20:50 Uhr mit dem Regen-Bonustrack Europerle eines der stärksten Konzerte des Jahres.

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Das hat vielerlei Gründe: Zum einen drückt der Alternative-Rock-Sound gewaltig und wird von einer erstklassigen Lichtshow ergänzt, die kaum auf das doch eher geringe Produktionsbudget schließen lässt. Zudem zeigen sich Van Holzen als musikalische Einheit, der man trotz des jungen Alters der drei Bandmitglieder anmerkt, dass sie in dieser Besetzung schon seit mehreren Jahren zusammenspielt. Auf den Opener folgen mit RegenErfolgIrgendwasRoyal und Allein ausnahmslos starke Stücke, die schon früh vom wiederum anschließenden Herr der Welt übertrumpft werden, wenn erstmals ein kleiner Moshpit entsteht und sich endlich alle Anwesenden textsicher zeigen. Frontmann Florian Kiesling hebt sich seine Ansagen für später auf, stattdessen lässt seine Band die erstklassige Musik für sich sprechen. Ungefähr in der Mitte des Sets erhebt Kiesling dann doch das Wort, um den Hintergrund der ersten Regen-Single Alle meine Freunde zu erklären. Der Song sei erst kurz vor der Fertigstellung der Platte entstanden, um allen Leuten, die den Dreien vorschreiben wollten, was sie nach ihrem 2017 absolvierten Abitur zu machen hätten, Kontra zu bieten. Scheint geklappt zu haben.

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Anschließend dürfen die drei „richtigen“ Mitglieder von Drens noch einmal auf die Bühne, um mit Van Holzen den gemeinsamen Song Frei zu performen, den beide Bands vor der Tour zusammen geschrieben haben. Durch die Strahlemänner von Drens und die lockere Atmosphäre wird aus dem düsteren Post-Punk-Song live etwas viel Lebensbejahenderes, bevor im Anschluss wieder die Songs über Selbstzweifel übernehmen. Van Holzen nehmen es sich sogar heraus, mit Der Schönste, einem weiteren Regen-Bonustrack, den regulären Show-Teil zu beenden und erstmals die Bühne zu verlassen. Mit Honig folgt als erste Zugabe ein Song der 2016er und nach der Band benannten EP, bevor im Anschluss Schrammbock mit einem Wechselspiel aus Kieslings Klargesang und dem gutturalen Gesang von Bassist Jonas Schramm ein super Konzert nach 80 Minuten beendet.

© Fotos von Valentin Krach