Was bleibt von…?: Thirty Seconds To Mars – A Beautiful Lie

In unserer neuen Rubrik „Was bleibt von…?“ stellen wir diese Frage in Bezug auf Alben, die bereits erschienen sind und aus der Jetzt-Perspektive seziert werden: Welche Relevanz besitzt die Platte 2020? Welche Songs sind gewachsen? Welche in Vergessenheit geraten? Diese Fragen beantworten wir in der fünften Folge in Bezug auf Thirty Seconds To Mars und ihr zweites Album A Beautiful Lie.

Ich glaube, ich habe 2007 das erste Mal von Thirty Seconds To Mars gehört. Komischerweise habe ich auch jetzt – knapp 13 Jahre später – noch eine lebhafte Erinnerung daran, wie ich im Auto meiner Mutter saß, zum ersten Mal The Kill (Bury Me) im Radio hörte und sofort begeistert war. Die Art und Weise, wie mir Sänger Jared Leto „I AM FINISHED WITH YOU“ und – wie ich beim ersten Hören dachte – „MARRY ME“ durch die Autolautsprecher entgegen schrie, hat mich damals einfach sofort abgeholt. „Musik für Jugendliche, die sich unverstanden fühlen“ schrieb laut.de in einer Album-Review aus dem Jahre 2007. Das wird dem Album zwar nicht vollständig gerecht, in meinem Fall hatte der Autor damit aber den Nagel auf den Kopf getroffen: Ich war „your average angsty teen“, eine pubertierende 14-Jährige, die gerade damit angefangen hatte, ihre Augen exzessiv mit schwarzem Kajal zu umranden und alles (inklusive sich selbst) irgendwie komisch zu finden. Das einzige, was mich damals so richtig begeistern konnte war Musik. So rutschten Thirty Seconds To Mars ziemlich direkt im Anschluss an jene Autofahrt ganz nach oben auf die Liste meiner Lieblingsbands.

Analog dazu wurde A Beautiful Lie, das zweite Studioalbum von Thirty Seconds To Mars, zu meinem Lieblingsalbum. Und damit war ich damals alles andere als allein: Das Album verhalf der Band – damals bestehend aus Jared Leto, seinem Bruder Shannon Leto, Matt Wachter (bis 2007) und Tomo Miličević (bis 2018) – zu weltweitem Ruhm und einer sehr passionierten Fan-Gemeinde. Erschienen war das Album 2005 (USA) respektive 2007 (Europa), als Nachfolger des selbstbetitelten Debüts 30 Seconds To Mars (2002). Als Produzent von A Beautiful Lie wirkte Josh Abraham, der in den Nullerjahren auch Alben von Bands wie Linkin Park, Atreyu und From First To Last produzierte. Auf dem Album finden sich insgesamt 13 Songs, von denen im Zeitraum von 2005 bis 2007 insgesamt vier als Singles (mit ziemlich ikonischen Musikvideos!) veröffentlicht wurden: Attack, The Kill (Bury Me), der Titeltrack und From Yesterday. Nachdem die erste Single Attack es nicht in die Charts geschafft hatte, war The Kill (Bury Me) dafür umso erfolgreicher: In den USA konnte sich der Song mehr als 50 Wochen in den „Modern Rock Charts“ halten und stellte damit damals einen Rekord auf. In den deutschen Charts waren der Song wie auch das Album selbst im Jahr 2007 immerhin zwölf Wochen lang präsent.

Musikalisch lässt sich das Album im (damalig) zeitgemäßen Alternative Rock verorten, weist aber definitiv auch einige Pop-Einschläge auf. Viele der Songs sind extrem einprägsam, aber auch mitreißend und intensiv. Auch ist musikalisch wie lyrisch viel, viel Emotion im Spiel, die vor allem durch die markante Stimme von Jared Leto transportiert wird. Was bei Thirty Seconds To Mars aber auch immer dabei ist, ist eine große Portion Pathos. Dafür braucht man nur mal einen kurzen Blick auf das Bandmotto werfen: „Provehito In Altum“ – „Spring vorwärts in die Tiefe“. Auch die Tatsache, dass die Fans der Band – das Echelon – sich selbst als „Cult“ verstanden und mit der Band über ein internes Internetforum namens Acropolis kommunizierten spricht in diesem Zusammenhang Bände. Das mag alles ganz schön dick aufgetragen klingen. Das ist es und das darf es auch sein. Für mich ist A Beautiful Lie ganz klar ein Kind seiner Zeit: Das Album hat, genauso wie die damals mit Kajal umrandeten Augen von Jared Leto, perfekt in die Mitte der Nullerjahre gepasst. Und ja, vielleicht war das Musik für sich unverstanden fühlende Kids – aber sie ist aus heutiger Sicht fester Bestandteil des musikalischen Kanons dieser Zeit. Neben ihrem musikalischen Stil war das zuvor angesprochene Pathos, das Thirty Seconds To Mars umgab, meiner Meinung nach sogar maßgeblich für ihre Anziehungskraft – auf mich und viele anderen Menschen und Emo-Kids. Man kann dabei durchaus von Emotion und Pathos als bewusste gewählte Eigenschaft der Band sprechen, zumal die Mitglieder in Interviews bereits des Öfteren von Thirty Seconds To Mars als Kunstprojekt gesprochen haben.

Was aber bleibt 2020 von Thirty Seconds To Mars und A Beautiful Lie?

Wie bereits erwähnt war A Beautiful Lie für Thirty Seconds to Mars das Album, das sie international bekannt gemacht hat. Der kommerzielle Erfolg des Tonträgers hat sich, neben den Verkaufszahlen, unter anderem in Auszeichnungen wie dem „MTV Europe Music Award“ in der Kategorie „Best Rock“ (2007) und dem „Kerrang! Award” in der Kategorie „Best Single” für The Kill (2007) und From Yesterday (2008) manifestiert. Innerhalb der Bandgeschichte markiert alles, was nach A Beautiful Lie kam, meiner Ansicht nach den Beginn einer zunehmenden Kommerzialisierung der Band. Diese war rückblickend einer der Hauptgründe, warum mein Fan-Sein irgendwann mehr oder weniger rapide zu Ende ging. Nicht nur der Sound hat sich spätestens ab This Is War (2009) immer mehr in Richtung Pop verändert. Auch wurden auf nachfolgenden Touren sogenannte „Golden Tickets“ verkauft: Teure VIP-Tickets, die es Fans möglich machten, das Konzert vom Bühnenrand aus zu erleben oder die Band sogar zu treffen. Dieses Konzept, seinen Fans auf diese Weise (überspitzt gesagt) „das Geld aus der Tasche zu ziehen“, finde ich persönlich nach wie vor etwas merkwürdig. Jede/r, die/der schonmal auf die Bühne gecrowdsurft ist oder die liebste Band nach dem Konzert noch (mehr oder weniger) zufällig getroffen hat, weiß wie schön das sein kann. Aber so etwas käuflich erwerbbar zu machen? I don‘t know.

Aber sei es wie es sei – das Album A Beautiful Lie höre ich trotzdem noch immer gerne. Wie das so oft ist, wirft mich jeder Song an irgendeinen Moment irgendwo innerhalb der letzten 13 Jahre zurück. Für mich persönlich wird das Album immer in Verbindung damit stehen, dass ich dadurch meine erste, richtige Lieblingsband entdeckt habe und auf eine Art Fan der geworden bin, wie man es im Teenie-Alter oft zum ersten (und manchmal auch letzten) Mal ist: Sehr, sehr exzessiv und mit irre viel Commitment und Herzblut. Wenn ich auf die Zeit zurückblicke muss ich immer ein bisschen über mich selbst schmunzeln. Besonders wenn ich beispielsweise daran denke, wie ich stundenlang vor dem Fernseher gewartet habe, bis endlich wieder ein Video der Band bei „VIVA – Get the clip“ reingewählt wurde. Oder wie ich im Dunkeln in meinem Zimmer gelegen, das Album gehört und es richtig gefühlt habe. Oder – kleiner Shoutout – wie cool meine Eltern waren, die mich in dieser Zeit zu insgesamt fünf Thirty-Seconds-To-Mars-Konzerten gefahren und vor der Venue gewartet haben, bis ich glücklich wieder herausgeschwebt kam. Schön war das.

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Label: Virgin
VÖ: 31.08.2005 (USA)
Re-Release in Deutschland: 16.02.2007

Genre: Alternative Rock

Musikalisches Erbgut:
Angels & Airwaves – The Dream Walker
AWOLNATION – Megalithic Symphony

Diese Songs stechen heraus:
Attack, The Kill (Bury Me), The Fantasy, Battle Of One