Mit einem Doppelkonzert haben Von Wegen Lisbeth ein gebührendes Finale der dreiwöchigen „Picknick Konzerte“-Reihe am Schlachthof Wiesbaden gefeiert.
Frontmann Matthias Rohde spricht es spät aus: die Dankbarkeit, endlich wieder Konzerte spielen zu dürfen. Die ist an diesem lauen Sommerabend sowohl der Band als auch insbesondere den euphorischen 950 Konzertbesucher*innen (ausverkauft) vor der Bühne anzumerken. Nicht auszuschließen, dass der eine oder die andere nicht zum ersten Mal in diesem August das Gelände des Wiesbadener Schlachthofs aufgesucht hat. Aber mit Sicherheit zum vorerst letzten Mal. Denn das gehört auch zu diesem Abend: Die Ungewissheit, wie es denn weitergeht mit der Livemusik-Branche. Darauf haben jedoch Veranstalter*innen, Musiker als auch die Leute im Publikum (mal wieder) keine Antwort.
Was jedoch mit großer Sicherheit beantwortet werden kann: Von den Abstandsregeln und Hygieneauflagen lässt sich heute Abend niemand die Laune verderben. Im Gegenteil: Fast scheint es so, als würde es guttun, seinen eigenen markierten Platz zum Mitsingen und -tanzen zu haben. Gerade in der zweiten Hälfte – und angesichts nun erklingender Publikumslieblinge wie Bitch, Sushi oder Wenn du tanzt – kippt die Stimmung ins Überragende. Trotz der Feierlaune zeigen sich die Indiepopper jedoch auch als selbstreflexiv: Den Songtitel von Bitch wolle man im Song nicht mehr singen, stattdessen solle jede Person ein nicht marginalisierendes Schimpfwort in den Wiesbadener Abendhimmel rufen.
Neben den Hits von früher spielen Von Wegen Lisbeth zudem drei in diesem Jahr veröffentlichte neue Songs: Portugal (Autoteile auf der Fahrbahn), L.OST und Podcast. Während Erstgenannter eher verhaltene Reaktionen auslöst, scheint vor allem L.OST als erste Zugabe bereits perfekt in die Setlist der Berliner integriert zu sein. Die setzt sich sonst zu jeweils acht Songs aus dem Debütalbum Grande sowie dessen Nachfolger sweetlilly93@hotmail.com zusammen. Vor Alexa gib mir mein Geld zurück! und der darin enthaltenen Songzeile „Warum ist die AfD immer noch da/ Obwohl ich heut‘ beim Yoga war?“ ruft der redselige Rohde die nahende Bundestagswahl ins Gedächtnis aller Anwesenden und diese dazu auf, andere Parteien als die sogenannte „Alternative für Deutschland“ zu wählen.
Beeinträchtigt wird der Auftritt Von Wegen Lisbeths lediglich durch sich wiederholende technische Probleme, die sich in mehrfachen kurzzeitigen Ausfällen einiger Lautsprecher bemerkbar machen. Glücklicherweise hält jedoch trotz regnerischer Vorhersagen das Wetter und lässt das Publikum nicht im Regen stehen. Das gilt ansonsten auch für den Auftritt Von Wegen Lisbeths, der von einem enorm dicken Sound profitiert und insbesondere die Synthesizer sowie die Gitarren klar herausstechen lässt. Dies gilt auch für das altmodische Bühnenbild, das direkt aus Oma Elses Wohnzimmer entnommen zu sein scheint. Von Wegen Lisbeth haben sich ihren Charme also trotz einer weltweiten Pandemie und eines neuen Jahrzehnts beibehalten. Gut so.
© Fotos von Valentin Krach