Shout Loud empfiehlt: 4 must-hear EPs aus 2021!

Viele EPs bekommen unzurecht weniger Aufmerksamkeit als Albumveröffentlichungen. Besonders dieses Jahr haben weniger bekannte Künstler*innen hervorragendes Material veröffentlicht. Bevor wir unsere Alben des Jahres mit euch teilen, lest ihr hier über 4 EPs aus 2021, die ihr unbedingt gehört haben solltet!

Yonaka – Seize The Power (Mixtape)

Als Nachfolge-EP auf ihr Debütalbum Don’t Wait Til Tomorrow lieferte das Brightoner Quartett Seize The Power. Das aus acht Songs bestehende Mixtape enthält ebenso viele Hymnen wie Moshpit-Feuerwerk. Sängerin Theresa Jarvis widmet sich einem positiveren Lebensausblick und kehrt ihrem verzweifelten Selbst der ersten LP entschlossen den Rücken. Clique oder Greedy vereinen elektronische Halftime Grooves mit textlichem Disstrack Flair. Bei letzterem Lied stößt noch Jason Aalon (FEVER 333) für eine markante Strophe und keifende Screams hinzu. Währenddessen zählen Raise Your Glass und Call Me A Saint zu dem wohl radiofreundlichsten Material der Bandgeschichte. Dieser Drang zur Experimentierfreudigkeit unterstreicht die Songwriting-Qualitäten der Band. Yonaka könnte man deswegen als Underground-Twenty-One-Pilots beschreiben, denn sie sind ein perfektes Beispiel der neuen Generation an Bands, die außerhalb von einengenden Genre Termini existieren. Bei der Bandbreite an hochwertigen Songs auf dem Mixtape kann man nur hoffen, dass dies auch weiterhin so bleibt. Unser Feature Interview / Review lest ihr hier.

Mannequin Pussy – Perfect

Seit 2014 spielen Mannequin Pussy einen bunten Mix aus Hardcore Punk, Indie und beinah Singer/Songwriter-ähnlichem Material. Ihre diesjährige EP Perfect ist ein Rundumschlag in weniger als 14 Minuten und könnte wohl nicht breiter aufgestellt sein. Der Opener Control säuselt ähnlich verzaubernd wie Phoebe Bridgers vor sich hin, ehe Sängerin Marisa Dabice ihre raueren Stimmqualitäten zum ersten Mal vorstellt. Hiervon gibt es auf den darauffolgenden Minuten ein gesundes Übermaß: Perfect stürzt sich ohne Vorwarnung in ein schweißtreibendes Tempo, aggressive Screams und Two-Step-Breakdowns, wie sie auf jedem Hardcore-Festival zu erwarten wären. Mannequin Pussy brillieren sowohl auf als auch zwischen den Songs mit extremen stilistischen Kontrasten. To Lose You schraubt die Verzerrung beinah ganz auf Null und endet in einer wabernden Orgelnote, nur um danach von preschendem Bass auf Pigs Is Pigs konfrontiert zu werden. Letzteres Lied ist nebenbei wohl der tanzbarste Anti-Polizeigewalt-Song des Jahres, auch wenn man dabei wohl nicht ohne blaues Auge aus dem Konzertsaal laufen dürfte. Eine kaputte, imperfekte EP, die beinah für jede Laune etwas bietet.

The Hirsch Effekt – Gregær

Weniger als ein Jahr nach ihrem starken fünften Studioalbum Kollaps meldeten sich die Hannoveraner The Hirsch Effekt mit einer neuen EP zurück. Gregær ist die erste Veröffentlichung der Band, die allein durch Crowdfunding finanziert wurde. Der Titel beschreibt in der Biologie die Zusammenkunft von zwei ansonsten separat lebenden Organismen. Und ebendies gibt es auch auf die Ohren: Zusammen mit 17 klassischen Musiker*innen aufgenommen, finden sich darauf drei neu arrangierte Versionen bekannter The-Hirsch-Effekt-Songs sowie der neue Titelsong. Der eigens als Artcore beschriebene Sound der Band spannt hier den Bogen zwischen epischen Orchester-Arrangements mit Jazz-Einlagen, Mathcore-Elementen in vertrackten Taktarten und Avantgarde-Songwriting. Den alten Liedern wird mit dem Bonus eines echten Orchesters und Arrangements von Pianist Anthony Williams noch mehr Leben eingehaucht. Natans ufert in einen Superhelden-Filmmusik-B-Teil aus und ist ein Paradebeispiel dafür, wie scheinbar unlösbar komplexe Liedstrukturen durch zusätzliche Klangkomponenten zu einem Meisterwerk zusammengeflochten werden können. Im Gesamtbild sticht der Titelsong und Neuankömmling Gregær jedoch hervor. „Ein Hoch auf die Unwahrheit“ tönt Wittrock im wohl direktesten Refrain der Band. Darin diskutiert die Gruppe kritisch die zwei Lager der Pandemie. Bilden der Unmut und die Frustration durch die Folgen von Covid-19 die eine Seite des Narrativs, stellt das Wachstum der Querdenker-Bewegung den Gegenpol dar. Klanglich spiegelt sich das in gegeneinander wetternden Streicher- und Bläserparts wider, welche hier am effizientesten zum Vorschein kommen. Eine weitere EP mit dem Titel Solitær steht bereits und ist zusammen mit einer Tour für April 2022 geplant. Nach dem diesjährigen Projekt haben The Hirsch Effekt damit einen neuen Maßstab für das gesetzt, was man durch ein Crowdfunding / DIY Ethos als Gruppe alles zustande bringen kann.

Knocked Loose – A Tear In The Fabric Of Life

Wer es sich gerne mit kurzweiligen EPs bequem macht, sollte sich einer Intensivkur Knocked Loose unterziehen. Auf ihrer EP A Tear In The Fabric Of Life thematisiert das Quintett aus Kentucky einen tödlichen Autounfall, der dem Beifahrer das Leben nimmt. Was sich zuerst nach langsam anbahnendem Übel anfühlt, wandelt sich im Handumdrehen in eine chaotische Todesspirale mithilfe von schaurigen Samples, absurd brutalen Riffs und einer voll und ganz eingespielten Band. God Knows brettert nur so los zwischen unzähligen Breakdowns und dissonanten Passagen, die einer blutigen Messerattacke gleichen. Auch gesanglich bietet der Song viele Komponenten wie dämonisches Keifen, Growls oder beneidenswert hohe Screams von Frontmann Bryan Garris und Gitarrist Isaac Hale. Obwohl das Projekt selten von Melodien getragen wird, zeigt die Band auf dieser EP eine große Stärke für immersive Zusammenarbeit zwischen den zwei Gitarren, die in Forced To Stay wie Spinnen durch den dichten Mix krabbeln. Wenn man nun diesen Release im Kontext anderer metallischer Hardcore-Releases betrachtet, sammeln sich Fragezeichen über die Kompetenz anderer Mitstreiter an. Knocked Loose erlauben sich keine Patzer, keine Pausen und auch keine wiederkehrenden Passagen. Man stirbt ja bekanntlich nur einmal, das wissen sie auch in ihrem Sound zu beschreiben. Ähnlich zermürbt tritt man als Zuhörer anschließend auch aus den Trümmern, die hier in Musik und Text explizit beschrieben werden. Selbst wenn sich wie auf Permanent eher stereotypisch auf Moshcalls gestützt wird (“All The Lights Went Out”), kommt die Band aufgrund der vielen Kinnhaken und eines begleitenden Kurzfilms für die gesamte EP damit immer davon. Ein Muss für Fans harter Musik!