Unsere 25 Alben des Jahres 2021

Nach der Premiere im vergangenen Jahr küren wir 2021 erneut die 25 besten Alben des Jahres. Dafür haben wir in der Redaktion abgestimmt – herausgekommen ist eine vielseitige Liste, die unser breites Musikspektrum abdeckt. Oder anders formuliert: viel Spaß mit einer Reise durch Metalcore, Alternative Rock, Deutschrap, Progressive Metal, Hardcore, Post-Punk, Psychedelic Rock und vieles mehr.

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25. K.I.Z. – Rap über Hass
Label: Vertigo/VÖ: 28.05.
Die Berliner Masters of Rap rund um Nico Seyfrid, Tarek Ebené und Maxim Drüner polarisieren auch im Jahr 2021. Für ihr sechstes Album haben sich K.I.Z. erstmals mit dem Musikproduzenten-Duo Drunken Masters zusammengetan. Es scheint, als hätte dieser Wechsel hinter den Reglern dafür gesorgt, dass das HipHop-Trio wieder mehr zu seinen Wurzeln zurückgeht. Anstatt offensichtlicher Gesellschaftskritik übertrumpfen sich die Rapper auf Rap über Hass wieder mehr mit Beleidigungen und zahlreichen Grenzüberschreitungen. In erster Linie geht es um Mütter, Sodomie, Pädophilie, Schlägereien und vieles mehr. Doch unverkennbar ist und bleibt die selbstironische Art und Weise, wie K.I.Z. diese Inhalte vortragen. Auf der kürzesten Platte der Gruppe finden sich zwölf mal mehr, mal weniger sozialkritische Songs mit einigen geistreichen Punchlines wie „Wir machen eure Kids kaputt wie Heidi Klum/ Mit frauenfeindlichem, antisemitischem Dreck/ Leute denken, wir hätten was aus der Bibel gerappt“. K.I.Z. halten unserer Gesellschaft auf vielerlei Ebenen den Spiegel vor. Rap über Hass befriedigt alle Fans, die über sechs Jahre nach dem Deutschrap-Meisterwerk Hurra die Welt geht unter auf einen Nachfolger gewartet haben. – Florian Hilger

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24. Landmvrks – Lost in the Waves
Label: Arising Empire/VÖ: 19.03.
Auch auf ihrem dritten Album behalten Landmvrks ihren eingängigen Sound bei und demonstrieren eindrucksvoll, wie moderner Metalcore klingen darf. Lost In The Waves enthält natürlich zahlreiche Breakdowns, dem Quintett aus Marseille gelingt aber das Kunststück, diese wunderbar in den Fluss der Songs einzubauen, sodass diese alle Zuhörer*innen unvorbereitet und dadurch umso härter treffen. Ausgeglichen wird das in zahlreichen Songs mit melodisch-fließenden Refrains. Abwechslung bringt der vielfältige Sänger Florent Salfati beispielsweise in Visage mit einem Rap-Part auf Französisch ein. Doch auch seine gesungenen Passagen wissen zu gefallen. Landmvrks schaffen es verschiedene Musikstile und Experimente im Songwriting geschickt zu kombinieren und lassen erst gar keine Luft zum Durchatmen aufkommen. Durch das enorme Variantenreichtum überzeugen die Franzosen all jene, die einen Blick über den Tellerrand hinaus schätzen und sich über musikalische Überraschungen in vermeintlich festgefahrenen Genres freuen. – Florian Hilger

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23. Quicksand – Distant Populations
Label: Epitaph/Indigo/VÖ: 13.08.
„Mama, wenn ich alt bin, möchte ich so sein wie Walter Schreifels“. Ist schon beeindruckend, wie es der 52-jährige schafft, einem Genre, welches er durch das Wirken in zahlreichen Bands mitgeprägt hat, mehr als 30 Jahre später noch Relevantes hinzuzufügen, während sich andere in seinem Alter bereits in die Bedeutungslosigkeit gekokst oder gesungen haben. Distant Populations ist die zweite Platte seit der Reunion 2012 und die darauf enthaltenen elf Songs der Beweis, warum es für den Post-Hardcore so gut ist, dass diese Band wieder da ist. Das liegt neben den Riffs, die Schreifels scheinbar mühelos aus dem Ärmel schüttelt, an dem brachialen Schlagzeugspiel von Paul Stanley und den Monster-Basslinien von Sergio Vega. Aus diesen drei Komponenten ergibt sich ein unwiderstehlicher Groove, der alles in die Knie zwingt – nachzuhören etwa in Inversion oder Colossus. Auch wenn das nach nichts anderem als den 90ern klingt, haben Quicksand keine Nostalgie-Platte aufgenommen: So melancholisch wie in Brushed klangen sie noch nie. – Marlo Oberließen

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22. Mastodon – Hushed And Grim
Label: Reprise/VÖ: 29.10.
Wie auf ihrem Prog-Metal-Wunderwerk Crack The Skye (2009) leisten Mastodon auf ihrem ersten Doppelalbum Trauerarbeit: Hushed And Grim ist ihrem 2018 an Bauchspeicheldrüsenkrebs verstorbenen Manager Nick John gewidmet. Passenderweise wirft das US-Quartett auch musikalisch einen Blick in die Vergangenheit. Wer von der Laufzeit von 86 Minuten nicht erschlagen wird, findet auf dem achten Album von Mastodon alle Nuancen ihres Sounds wieder, der sie zu einer der führenden Metal-Bands des 21. Jahrhunderts gemacht hat. Zu verkopftem Progressive Metal und Sludge-Kapriolen (Savage Lands!) gesellen sich Math-Elemente in Peace And Tranquility und Pushing The Tides geht für Mastodon-Verhältnisse schon fast als Punk-Nummer durch. Dazu scheut sich die Band auch nicht mehr vor großen Gesten wie im hymnischen TeardrinkerHushed And Grim gehört aber vor allem zu den geglückten Doppelalben, weil hier ruhige Töne (DaggerHad It All) gleichberechtigt neben größenwahnsinnigen Achtminütern wie Gobblers Of Dregs erklingen dürfen. – Jonathan Schütz

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21. Monosphere – The Puppeteer
Label: Eigenvertrieb/VÖ: 26.11.
Warum nicht einfach mal die Grenzen harter Musik bereits auf dem Debütalbum austesten? Mehr und nicht weniger scheint man sich bei Monosphere aus Mainz zur Mission gemacht zu haben. The Puppeteer präsentiert direkt zu Beginn der Bandkarriere ein Post-Metalcore-Konzeptalbum, bei dem der Shuffle-Knopf verboten gehören müsste. Von Anfang bis Ende gleitet das Quintett federleicht durch den Breakdown-Olymp und Taktarten-Minenfelder wie im Closer I Am In Conflict, Pt. III. Der Großteil der Lieder ist durch unhörbare, fließende Übergänge verbunden oder wirft den Zuhörer, ähnelnd einer Kurzgeschichte, direkt ins Geschehen. The-Hirsch-Effekt-Frontmann Nils Wittrock steuert bei The Disconnect und I Am In Control, Pt. I als i-Tüpfelchen keifenden Gesang bei. Klanglich hüpft das Album im Handumdrehen zwischen Black-Metal-Elementen, Mathcore und Prog-Metal umher, als wäre die Band Herrscher der einzelnen Genre-Elemente. Und gewissermaßen ist sie das auch: Das von Drummer Rodney Fuchs komponierte Album wurde zum Release durch ein musikwissenschaftliches Buch begleitet, das alle Elemente auf Uni-Niveau analysiert darlegt. Wer wagt es, von diesem grandiosen Debüt eingesogen zu werden? – Alex Loeb

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20. Rise Against – Nowhere Generation
Label: Spinefarm/Universal/VÖ: 04.06.
Stadion(punk)rock as its best für die einen, Ausverkauf für die anderen, und das mindestens seit The Sufferer & The Witness (2006). Auch mit Nowhere Generation werden Rise Against alte Nörgler*innen nicht versöhnen. Insbesondere, da sie im Vergleich zum reduzierten Vorgänger Wolves (2017) wieder das große Besteck auffahren: Es gibt den 80.000-Kehlen-Refrain im Titeltrack, die obligatorische Akustikgitarrenballade Forfeit und zwei Hände voll mit Hintergrundchören. Das funktioniert, weil sie nach all den Jahren nicht vergessen haben, denjenigen eine Stimme zu geben, die zu selten gehört werden. Auf Nowhere Generation bieten sie den Sorgen und Ängsten von jungen Menschen eine Bühne. Denjenigen, denen die Welt keine Zukunft bietet – Klimawandel, Diskriminierung und dem Patriarchat sei Dank. Selbst, wenn Rise Against mit ihrem neunten Album verlorene Fans nicht zurückgewinnen können, schweißt es diejenigen zusammen, die bereits da sind – und das sind einige. – Marlo Oberließen

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19. King Gizzard & The Lizard Wizard – L.W.
Label: Caroline/Universal/VÖ: 26.02.
Vor dem Neustart der Blick in den Rückspiegel: L.W. ist das Schwesteralbum zu K.G. aus dem vergangenen Jahr. Beide bilden zusammen eine Art Werkschau des bisherigen Schaffens der australischen Psych-Rock-Weirdos. Bei 17 Alben in elf Jahren eine Mammutaufgabe, die sie mit Bravour meistern, indem sie den Kniff anwenden, das orientalisch angehauchte Soundgebilde von Flying Microtonal Banana (2017) als Referenzpunkt zu nehmen und ihre weiteren musikalischen Ausuferungen lediglich zu streifen. Auch wenn L.W. nicht mit der Hitdichte von K.G. mithalten kann, zieht die siebenköpfige Band mit einer Leichtigkeit Songs aus ihrem Zauberhut, bei denen sich die meisten ihrer Genre-Kolleg*innen das Gehirn samt Finger auskugeln würden. O.N.E. steckt mit beiden Tanzbeinen tief in der Bollywood-Kiste, See Me zieht hypnotisch in seinen Bann und K.G.L.W. führt abschließend beide Albumteile zusammen, wirft den Stoner-Metal von Infest The Rat’s Nest (2019) mit in den Topf und entlässt die Band mit einem Donnergrollen in die Fantasiewelt von Butterfly 3000. – Marlo Oberließen

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18. Amenra – De Doorn
Label: Relapse/VÖ: 25.06.
Amenras erstes Studioalbum unter neuem Label, und das insgesamt sechste aus dem Repertoire der belgischen Post-Metaller, ist ein emotionaler Neubeginn, der die Band 2021 in ein anderes Licht setzt. Gerade durch den komplett flämischen Gesang, der sehr viel Heimatverbundenheit verspüren lässt, und die tatkräftige Unterstützung von Gastsängerin Caro Tanghe (Oathbreaker) zeigen sich Hingabe und Herzblut, die in der Musik der Band steckt. Die Düsternis, Melancholie und atmosphärische Schwere der Songs (beispielsweise De Evenmens) ziehen sich ebenso wie tiefe, doomige Elemente durch das komplette Album, und dennoch besitzt jeder Song eine komplexe Individualität, die sich schlussendlich zu einem absolut stimmigen, organischen Post-Metal-Gesamtkunstwerk in klassischer Amenra-Manier zusammenfügen. De Doorn lädt dazu ein, sich auf eine rituelle Weise mit dem eigenen Innersten auseinanderzusetzen, und das Vergangene vielleicht noch einmal Revue passieren zu lassen. – Mariella Scherzer

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17. While She Sleeps – Sleeps Society
Label: Spinefarm/Universal/VÖ: 16.04.
Sheffield scheint ein gutes Umfeld für harte Musik zu sein: neben Bring Me The Horizon und Malevolence kommen auch While She Sleeps aus der britischen Großstadt. Mit seinem fünften Album hat das Quintett seinen unverkennbaren Sound erneut weiterentwickelt: anstatt sturem Haudrauf-Metalcore umarmen While She Sleeps einen gemeinsam mit Biffy-Clyro-Frontmann Simon Neil in der Hymne Nervous und zeigen, dass es okay ist, wenn man von seinen inneren Dämonen überrannt wird. Sleeps Society scheint While She Sleeps noch ein Stück erwachsener gemacht zu haben: mit Division Street kann eine Klavierballade gleichberechtigt neben nach vorne preschenden Metalcore-Songs wie You Are All You Need oder dem entfernt an Refused erinnernden Systematic stehen. Gleichzeitig bleiben die Briten ihrem Stil zu 100% treu, auch wenn sie mehr als zuvor mit verschiedenen Stilen und Samples experimentieren. Absolutes Highlight: No Defeat For The Brave mit Sum-41-Frontmann Deryck Whibley. Im Rahmen von Sleeps Society haben While She Sleeps eine gleichnamige Community ins Leben gerufen – das dazugehörige Album weiß mit jeder Menge Ohrwurm-Material und Abwechslung zu überzeugen. – Florian Hilger

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16. Fatoni & Edgar Wasser – Delirium
Label: LOL/VÖ: 07.05.
Auf ihrem zweiten gemeinsamen Album nach Nocebo (2013) holen Fatoni und Edgar Wasser zum Rundumschlag aus: es geht gegen die Misogynie im Deutschrap (Alle 11 Minuten) und in Freierssohn gegen die Neue Rechte. Darin gelingt insbesondere Edgar Wasser das Kunststück, zu jedem/r noch so hassenswerten „Politiker*in“ ein drastisches und dennoch humorvolles Wortspiel zu liefern, dessen Aussagekraft zwischen den Zeilen zu lesen ist. Freierssohn mag der beste Song auf dem Album sein, doch auch die vermeintlich simpleren Songs zeigen zwei Künstler mit unglaublich guter Chemie und in lyrischer Höchstform. Beispiel gefällig? „Auch ohne Bosstransformation knocke ich beide Klitschkos aus/ Nicht mit der Faust, ich mache KO-Tropfen auf Milchschnitten drauf“ heißt es seitens Edgar Wasser in Der BesteDelirium besitzt sehr viel Humor, das Münchener Duo weiß aber genau, wann es auch mal ernste Töne wie in Das Leben ist dumm anschlagen kann, was die Platte zu einem Anwärter für das beste Deutschrap-Album des Jahres macht. – Jonathan Schütz

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15. 24/7 Diva Heaven – Stress
Label: Noisolution/Soulfood/VÖ: 19.03.
„All my friends are wasted/All my friends fly high/All we want is wasting our precious time“, stellen 24/7 Diva Heaven im Opener Potface klar. Und jetzt kommt hier nicht mit Vernunft oder Erwachsenwerden – Begriffe, die in der Rockmusik nichts zu tun haben, schon gar nicht, wenn man diese so dringlich und unmittelbar spielt wie das weibliche Trio aus Berlin, treibende Kraft des Grrrl-Noisy Kollektivs. Die Songs ihres Debüts stehen in der Tradition von Riot-Grrrl-Bands der 90er wie Babes In Toyland oder Team Dresch, und sind allesamt großartig. Das ist mal melodiös, mal noisy, badet im Fuzz, kratzt am Hardcore (Bitter Lollipop) oder nimmt sich wie in Everyman Zeit, um Luft zu holen. Auch stark: Shamebath: Gebt mir einen Hammer, lasst den Song ohrenbetäubend über Kopfhörer laufen und dieses Haus liegt in Schutt und Asche, möchte man sagen. Das alles wäre klasse genug, gewinnt aber durch das Sendungsbewusstsein der Band noch an Qualität, die sich in ihren Songs mit Rassismus, Populismus, Ungerechtigkeiten und Angstzuständen auseinandersetzt. – Marlo Oberließen

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14. Thrice – Horizons/East
Label: Epitaph/Indigo/VÖ: 17.09
Souverän ist das erste Wort, welches einem zum elften Album von Thrice einfallen möchte. Nicht abgeklärt, nicht herzlos, zeugt es schon von Souveränität und Qualität, wie die vier Kalifornier ihren Genre-offenen Post-Hardcore nach dem Comeback 2015 in einen Alternative-Rock-Sound überführt haben, ohne an Spannung, geschweige denn Bedeutung einzubüßen. Horizons/East ist das Schaulaufen der Stärken einer Band, die es schafft, Konzeptalben zu schreiben, ohne bemüht zu klingen. Songs mit Erkenntnisgewinn anstatt Überforderung. Thrice drosseln das Tempo: Northern Lights ist Jazz mit Flanellhemd anstatt Hornbrille, Dandelion Wine beginnt mit Post-Rock-Verträumtheit und Unitive/East ist erhabenes Klavier-Wirrwarr, bei dem man froh ist, dass es nicht in die Autotune-Hände von Bon Iver geraten ist. Ihre Muskeln lassen sie in Songs wie Scavengers oder Summer Set Fire To The Rain spielen – letzteres mit Schreiausbruch von Dustin Kensrue, als wäre wieder 2005. Wem das an guten Nachrichten nicht reicht: Mit Horizons/West ist ein Nachfolger bereits in Sicht. – Marlo Oberließen

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13. Employed To Serve – Conquering
Label: Spinefarm/Universal/VÖ: 17.09.
Stetige Weiterentwicklung wäre ein Understatement. Employed To Serve krempeln auf ihrem vierten Album sowohl Lineup als auch Bandsound heftig um. Das Projekt, was im Kern von Screamerin Justine Jones und Gitarrist Sammy Urwin getragen wird, hat auf seinen Vorgängeralben immer Potenzial für spielerische Breakdowns und eine Entwicklung zu melodiösen – wenngleich beinharten – Passagen gezeigt. Conquering komprimiert allzeit dagewesene Riffliebe und rauen Metallic-Hardcore-Sound. Universal Chokehold kreiert eine epische Introduktion zu dem wohl kompositorisch interessantesten Werk der Band aus Woking. Neben verschiedenster Stile, die im Bandsound miteinander verschmelzen, liefern die einzelnen Songs auch memorable, ultratiefe Riffs, die einem regelrecht um die Ohren peitschen. Twist The Blade ist hier ein perfektes Beispiel: starkes Nu-Metal Low-End wird von einem Shredding-Part komplementiert, nur um von Jones’ dämonischem Keifen abgelöst zu werden – ein beinahe perfektes Ballerfest. – Alex Loeb

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12. Black Midi – Cavalcade
Label: Rough Trade/Beggars/Indigo/VÖ: 28.05.
Der Preis für das wohl unzugänglichste Album auf unserer Liste geht an Black Midi aus Croydon, England. Das Quartett, welches seine Konzerte mit zusätzlichen Saxophonisten und Keyboardern aufstockt, schafft sich auf Cavalcade eine musikalische Nische, die einem Irrenhaus gleicht: Sänger Geordie Greep stolziert im Opener John L mit erhobenem Haupt und Spoken-Word durch eine fünfminütige Free-Jazz-Passage, Streicher kratzen dissonant auf den Griffbrettern herum und die Band bricht das wirre Stück mit Start-Stopp-Spiel auf. Was auf dem Papier nach Splatterprodukt klingt, ist auch nach mehrmaligem Hören ähnlich schwer zu verdauen. Das schnelle Tempo der Kompositionen läuft mit hypnotisierendem Effekt wie ein roter Faden durch das Album. Hogwash And Balderdash treibt das vermittelte Stress-Level in zweieinhalb Minuten auf die Spitze. Zeit für Verschnaufpausen bietet die Platte bis auf Marlene Dietrich nicht, aber Black Midi sind eh mehr Igor Strawinsky als Sinatra. Gemäßigte Kompositionen wären für die Band nämlich Kindergarten und hätten wohl nie solch ein spannendes Album zustande gebracht – etwas für furchtlose Musikfans. – Alex Loeb

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11. Shame – Drunk Tank Pink
Label: Dead Oceans/Cargo/VÖ: 15.01.
Falls irgendjemand bei dem Haufen an tollen Post-Punk-Bands den Überblick verloren hat: Idles sind die mit den Hits, Fontaines D.C. die Romantiker mit dem Herz auf der Zunge und beiden Beinen in der Gosse, und Shame diejenigen, die anstatt anderen in die Augen, lieber in die eigenen Abgründe oder die der Welt schauen. Ihr zweites Album ist ein dunkles geworden, eines das von Einsamkeit, von Sinnlosigkeit erzählt. Um Noise-Elemente angereicherte Songs wie Snow Day oder March Day wohnt etwas Kaputtes inne, etwas, das nicht repariert werden kann. Hektisch und destruktiv stehen sie für die eine Seite von Drunk Tank Pink, die ihren zurückgelehnten Gegenpol in Stücken wie Water In The Well oder dem fantastischen Human, For A Minute findendessen Refrain mehr an Beach House als an The Fall erinnert. Spätestens nach den knapp sieben Minuten des Closers Station Wagon, in denen Frontmann Charlie Steen seinen starken Auftritt mit einer aberwitzigen Spoken-Word-Performance krönt, steht fest: Shame sind für Großes bereit. – Marlo Oberließen

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10. The Dirty Nil – Fuck Art
Label: Dine Alone/VÖ: 01.01.
Fuck Art ist ein Manifest mitreißender Gitarrenmusik – und das bislang beste Album von The Dirty Nil. Wer sein Album mit einem Thrash-Metal-Riff eröffnet, auf die Cro-Mags, Turnstile und Slayer verweist, aber anstatt dicker Luxuskarre von einem Dodge Caravan (der auch noch der eigenen Mutter gehört) singt, beweist nicht nur Humor, sondern auch Stilsicherheit im Umgang mit vermeintlich ernsten Genres wie eben Thrash Metal. Im Gegensatz zu ihren vorherigen beiden – guten – Platten scheinen dem kanadischen Trio auf Fuck Art die Hits wie am Fließband zu gelingen: Blunt Force Concussion hätten Weezer vor mehr als 20 Jahren nicht besser schreiben können und Done With Drugs ist gleichermaßen für alle Leute, „die sich zu alt für den Scheiß“ fühlen oder am Vorabend zu tief ins Glas geschaut haben. The Dirty Nil sind das gute Gewissen moderner Rockmusik und nehmen sich selbst gar nicht erst zu ernst. Dass ihnen dabei dennoch Texte abgehen, die nicht nur aufgrund ihres Humors im Kopf bleiben, zeugt von ihrer Klasse. – Jonathan Schütz

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9. Ice Nine Kills – Welcome To Horrorwood: The Silver Scream 2
Label: Fearless/VÖ: 15.10.
Welcome To Horrorwood: The Silver Scream 2 ist ein waschechtes Sequel: auf dem Nachfolger ihres 2018 veröffentlichten Albums The Silver Scream verwandeln Ice Nine Kills (INK) erneut bekannte Horrorfilme in mitreißende und mitunter recht brutale Songs. Dabei folgt die Metalcore-Band dem Prinzip vieler filmischen Fortsetzungen und liefert mehr von all dem, was schon The Silver Scream zu einem famosen Album gemacht hatte. Bereits der erste richtige Song Welcome To Horrorwood gleicht einem kleinen Musical, mit dem sich INK endgültig als die Metal-Version von Panic! At The Disco etablieren. Dazu stimmen auch wieder die über die Platte verteilten Easter Eggs: im an Psycho angelehnten The Shower Scene läuten die Streicher-Töne der berühmten Duschszene den Breakdown ein, während die Bridge des American Psycho gewidmeten Hip To Be Scared der Liebe der Filmhauptfigur Patrick Bateman zu Popmusik frönt. Dazu stellen INK mit unverschämt eingängigen Refrains (Farewell II Flesh!) ihr Können als Songwriter abermals unter Beweis. – Jonathan Schütz

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8. Van Holzen – Aus der Ferne
Label: OMN/Rough Trade/VÖ: 12.11.
Aller guten Dinge sind drei: Van Holzen aus Ulm bringen mit ihrem dritten Album Aus der Ferne die Stärken ihrer vorherigen Alben zusammen. Ebenso ehrgeizig wie Anomalie und philosophischer als Regen fährt das Drittwerk mit seiner Schlichtheit und expliziter Sozialkritik auf Erfolgskurs. Das Trio findet erstmals eine gesunde Mischung zwischen Florian Kieslings tiefem Klargesang und Jonas Schramms explosiven Screams. Deiner Meinung prescht mithilfe von Schlagzeuger Daniel Kotitschkes schussfesten Grooves vehement nach vorn, während Mars die Erdvermüllung durch den Menschen und blinde Ignoranz für die Klimakrise anprangert. Van Holzen arbeiten auch mit einem merkbar höheren Produktionsbudget, was sich besonders im Mähdrescher-Walzer Biss oder der Vorabsingle Schlafen kenntlich macht. Die Balance zwischen balladesk fundiertem Songwriting und kantigen Riffs stand der Band schon immer, wird hier aber mit verblüffender Präzision ausgeführt. Van Holzen sind längst auf dem Weg, eine der wichtigsten deutschen Rockgruppen zu werden. – Alex Loeb

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7. Every Time I Die – Radical
Label: Epitaph/Indigo/VÖ: 22.10.
Nachdem Low Teens eines der schlüssigsten Every-Time-I-Die-Alben geworden war, boxt Radical die Zuhörer*innen in jeder Hinsicht durch den Raum wie nie zuvor. Post-Boredom stellt einen absoluten Sommerhit für aufgestauten Frust dar und glänzt mit eingängigen Passagen und einem tonangebenden Bassriff. Der altbekannte Southern-Rock-Einschlag der Band aus Buffalo kommt regelmäßig zum Vorschein, inklusive Kuhglocke und skurrillen Gitarrenlicks, die hektisch gegeneinander arbeiten und Frontmann Keith Buckleys frenetischen Screams den Ball zuspielen wie in Sly. Das Quintett ist unter Musizierenden schon immer eine große Hausnummer gewesen. Nach 23 Jahren fühlt es sich aber so an, als hätten Every Time I Die hier ihre wahre unaufhaltsame (und radikale) Bestform erreicht. – Alex Loeb

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6. Royal Blood – Typhoons
Label: Warner/VÖ: 30.04.
Mit seinem dritten Album ist das Duo aus Brighton von der Garage in die Disco umgezogen. Hatten Sänger und Bassist Mike Kerr und Schlagzeuger Ben Thatcher mit ihren ersten beiden Platten Garage und Blues Rock noch eine Frischzellenkur verpasst, entwickeln sie mit Typhoons ihren eigenen Sound deutlich weiter. Der ist weiterhin zwischen Hardrock, Garage und Blues verankert, lässt sich aber am ehesten als Dance Rock oder Discorock beschreiben. Das von Josh Homme produzierte Boilermaker erinnert am ehesten an den rauen Sound der 2010er-Jahre, Who Needs Friends zieht dagegen trotz seines trockenen Riffs im Refrain mit aller Macht auf die Tanzfläche. Die Mehrheit der elf Songs nährt sich passenderweise an elektronischer Musik der Marke Daft Punk oder Justice. Neben allem Glamour vergessen Royal Blood aber nicht, dass sie in erster Linie eine Rockband sind. Das führt zu unwiderstehlichen Hits voller Groove wie Trouble’s Coming oder Oblivion, die zeigen, dass die Weiterentwicklung von Royal Blood ein Glücksfall ist. – Jonathan Schütz

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5. Gojira – Fortitude
Label: Roadrunner/VÖ: 30.04.
Das siebte Album der Franzosen ist eine weitere Expedition weltmusikalischer Elemente und nach dem trauriger gestimmten Vorgänger Magma (2016) eine positiver gestaltete Platte. Gerade im Hinblick auf den Gesang hat Fortitude einiges zu bieten, denn Joe Duplantier hat sich qualitativ stark weiterentwickelt und beeindruckt mit klarem Gesang, der sich in The Chant nahezu hymnenhaft zeigt. Doch auch Fans der ersten Stunden des Quartetts und hartem Riffing kommen dank Songs wie Sphinx und New Found auf ihre Kosten. Beeindruckend ist vor allem, dass Gojira in Amazonia mit der Abholzung des Regenwaldes eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit ansprechen und sich gleichzeitig mit einem Fundraiser für die indigenen Stämme Brasiliens im Amazonas-Becken einsetzen. 2022 braucht es auch in der Musikszene weitere ermutigende Solidaritätszeichen wie diese. Gojiras musikalischer Perfektionismus zeigt wieder einmal, aus welch großartigen Musikern diese Band besteht: Fortitude ist bis auf die Sekunde genau durchdacht, ausgereift und ein in sich stimmiges Gesamtwerk. – Mariella Scherzer

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4. Psychedelic Porn Crumpets – Shyga! The Sunlight Mound
Label: Marathon Artists/VÖ: 05.02.
Das vierte Album der australischen Psychedelic-Rocker ist eine verrückte Feel-Good-Platte, gefüllt mit in kleine, fantastisch abgerundete Häppchen verpackten Songs, von dessen positiven Vibes man sich gerne umgeben lässt. Shyga! The Sunlight Mound lehnt sich noch mehr in Richtung Breitband-Rock als die bisherigen Alben der Gruppe, vergisst in Songs wie Mango Terrarium oder Tripolasaur aber auch den psychedelischen Anteil nicht. Das Narrativ von Mr. Prism besitzt wiederum einen gewissen Eskapismus und enthält mit der Songzeile „Twenty-twenty dreams“ einen kleinen Wink in Richtung des Quarantäne-Blues der vergangenen anderthalb Jahre und ein Zeichen der Hoffnung. Shyga! The Sunlight Mound ist eine ungemein eingängige Platte und übertrifft dank Songs wie Sawtooth MonkfishTally-Ho und Hats Off To The Green Bins das Hitpotenzial aller bisherigen Platten von Psychedelic Porn Crumpets. Die Australier scheinen die Erwartungshaltung ihrer Hörer*innen immer wieder zu übertreffen, was angesichts ihres hohen musikalischen Outputs einer Glanzleistung gleicht. Bei dieser Band kann man sich nur auf alles freuen, was da noch kommt. – Mariella Scherzer

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3. Spiritbox – Eternal Blue
Label: Rise/VÖ: 17.09.
Das Debütalbum der Kanadier*innen um Frontfrau Courtney LaPlante (zuvor bei Iwrestledabearonce) ist das vielleicht spannendste Metalcore-Album des Jahres. Eternal Blue entfachte im Internet einen starken Hype, die Musikvideos wurden millionenfach geklickt, die Patreon-Seite der Band stark nachgefragt und auch in den sozialen Medien erreichte die Band zahlreiches positives Feedback. Das ist kein Wunder, denn auf dem Album kommt nicht nur die extrem variable Stimme der Frontfrau stark zur Geltung. Vielmehr schaffen Spiritbox fünf Jahre nach ihrer Gründung einen Spagat aus engelsgleicher Melancholie und teuflischer Härte. Während etwa The Summit und Secret Garden ruhigere Töne anschlagen, zählen Holy Roller und Silk in the Strings zu den härtesten Metalcore-Songs des Jahres. Passend eingesetzte elektronische Elemente voller Atmosphäre, brachiales Riffing, eingängige Refrains und ein fantastisches Feature von Architects-Frontmann Sam Carter in Yellowjacket machen Eternal Blue zu einer herausragenden Platte. – Florian Hilger

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2. Architects – For Those That Wish To Exist
Label: Epitaph/Indigo/VÖ: 26.02.
Nachdem Architects auf ihrem achten Album Holy Hell erstmals Songs ohne den 2016 an Krebs verstorbenen Gitarristen Tom Searle veröffentlicht hatten, stellt das neunte Album der Briten ein weiteres neues Bandkapitel dar. Mit Bombast beladen, stadiontauglichen Refrains und wuchtiger Grundnote hat das Brightoner Quintett auf For Those That Wish To Exist gleichermaßen seine Metalcore-Einflüsse zurückgeschraubt als auch Türen für Neues geöffnet. Animals brettert mit Rammstein-Attitüde los und ist wohl am ähnlichsten zu älterem Bandmaterial. Erstmals finden sich auch Features auf einer Architects-Platte, bei welcher diesmal Streicher-Arrangements wohl die zentralste Rolle spielen. Simon Neil von Biffy Clyro gesellt sich beispielsweise für noch nie dagewesene Screams auf Goliath dazu und Winston McCall (Parkway Drive) liefert sich mit Sam Carter bei Impermanence einen Screaming-Wettkampf, während das von Elektronik durchtriebene Little Wonder mithilfe von Royal-Blood-Sänger Mike Kerr fast schon gen Pop-Metal schielt. Auch wenn das Album wohl nicht ihr stärkstes ist, öffnet die Soundexpandierung nach all den Jahren die Tür für Architects, eine der wohl einflussreichsten Bands des Jahrzehnts zu werden. – Alex Loeb

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1. Turnstile – Glow On
Label: Roadrunner/VÖ: 27.08.
Unser Album des Jahres ist eine dieser Platten, für die sämtliche Superlative beschwört werden müssen. Glow On von Turnstile könnte für den Hardcore das werden, was Sunbather von Deafheaven für den Black Metal war: ein wegweisendes und Genres sprengendes Werk, das zeigt, dass vermeintlich in sich festgefahrene musikalische Gattungen noch einer Frischzellenkur unterzogen werden können. Den Sprung von der nischigen Hardcore-Band zur gehypten Band über mehrere Szenen hinweg haben Turnstile dank ihres dritten Albums in diesem Jahr bereits geschafft. Turnstile nehmen dem Hardcore sein Mackertum, indem sie dicke und vor Eingängigkeit strotzende Riffs gegen balladeske Töne wie in Underwater Boi aufwiegen, Songs mit Synthesizer-Pluckern beginnen und Bongos und Congas in ihren Sound integrieren. Nahezu keiner der 15 Songs weiß nicht mit Einfallsreichtum, positiver Energie oder einem für Hardcore-Verhältnisse unglaublich eingängigen Refrain zu überzeugen. Kurz gesagt: Turnstile denken Hardcore so konsequent weiter wie aktuell keine zweite Band und schaffen zudem einen diversen Konzertraum bei ihren höchst energetischen Liveshows. – Jonathan Schütz