Auch 40 Oz. To Fresno folgt der Bandphilosophie von Joyce Manor, dass im Emo-Pop-Punk 17 Minuten reichen, um die herumschwirrenden Gefühle einzufangen.
Aus zeitökonomischer Perspektive betrachtet, verfügen die drei US-Amerikaner über eine nahezu makellose Diskographie: Mit Cody (2016) reißt lediglich eines ihrer sechs Alben die 20-Minuten-Marke – und ist bezeichnenderweise ihr schwächstes. In der Kürze liegt eben die Würze. In der Unmittelbarkeit die Kraft. Und die Stärke von Joyce Manor darin, die zwischen Aufwachen und Einschlafen erlebten Emotionen in knackige Songs zu verpacken, die beim Raufasertapetenstarren und Skaten gehört werden können, und mittlerweile eben auch, wenn der Nachwuchs in den Kindergarten gebracht wird, und das letzte Mal Ausschlafen mehr als fünf Jahre her ist. Mitreißend ja, erheben Joyce Manor aber nicht mehr den Anspruch, auch die Touché-Amoré-Shirt-Träger*innen zum Mitschreien zu animieren. Don’t Try tut so, als hätte Pop-Punk keine Halbwertszeit, und Gotta Let It Go als hätte es Real Friends nie gegeben, geschweige denn gebraucht. Der Fakt, dass Joyce Manor nicht Weezer sind, ist das Einzige, was Reason To Believe vor der Belanglosigkeit bewahrt. Sonst ist alles beim Alten – auch wenn mit Motion-City-Soundtrack-Drummer Tony Thaxton ein neuer Schlagzeuger an Bord ist. Der bisweilen zynische Humor ist geblieben, etwa wenn sich Frontmann Barry Johnston gescheiterte Musikerkarrieren vornimmt: „You’re not famous anymore/You’re working in a grocery store.“ Besser sind sie nur, wenn es um die Vertonung der Adoleszenz geht, wie im stärksten Song der Platte NBTSA: „And I will never be the same again“, und kurz Erinnerungen an das tolle Debüt S/T (2011) wach werden. Schade, dass sich 40 Oz. To Fresno nicht mehr solcher Ausflüge gönnt, höchstens Secret Sisters hätte auch auf S/T Platz gefunden. Nichtsdestotrotz stellen sie Songwriting-Geschick sowie ein Händchen für Melodien und Refrains unter Beweis, die das Ohr nicht so schnell verlassen. Es ist fies, Joyce Manor auf ihr Genre zu reduzieren, aber sie lassen einem keine Wahl: 40 Oz. To Fresno ist ein starkes Pop-Punk-Album. Aber eben ein Pop-Punk-Album.
Label: Epitaph/Indigo
VÖ: 10.06.2022Genre: Pop-Punk, Emo, Punkrock
Vergleichbar:
Tigers Jaw – Spin
Muncie Girls – Fixed IdealsWertung:
10/15