Review: Musa Dagh – No Future

Wenn drei Männer jenseits der vierzig nostalgisch werden, ist das in der Regel nichts, bei dem man dabei sein möchte. Bei Musa Dagh ist das anders: No Future ist ein fantastisches zweites Album, das zu den besten des Jahres gehören wird.

Musa Dagh, das sind Gitarrist Aren Emirze, Schlagzeuger Sascha Madsen und Sänger Aydo Abay, beziehungsweise Harmful, Madsen und Blackmail. Die deutsche Alternative-Rock-Oberschicht also, die 2021, damals noch mit Beatsteaks-Schlagzeuger Thomas Götz, ihr Debüt Musa Dagh veröffentlicht hat: zehn Songs zwischen Krach, Anspruch und Pop-Sensibilität. Alles was an alternativer Musik der Neunziger toll war, aber ohne den staubigen Geschmack von Nostalgie. Damit haben sie ihren eigenen Sound gefunden, den sie mit No Future auf die nächste Stufe heben, was auch das Ergebnis von haufenweise richtig getroffenen Entscheidungen ist: Etwa die, das Riff von 0200 Hours auf der Akustikgitarre zu spielen, wodurch eine Ballade entsteht, die qualitativ an Disarm von den Smashing Pumpkins erinnert. Oder die, für Weekend Warrior Bernd Kutzke von den Beatsteaks vors Mikro zu zerren und seinem Gekeife punktuelle Ruhemomente gegenüberzustellen. Algorithms & Alcohol und VU bestechen durch Queens-Of-The-Stone-Age-Groove,der Titeltrack zeigt, dass sie in der Lage sind, einen perfekten Pop-Song zu schreiben.

Zuckerbrot und Peitsche: Eine Disziplin, die Musa Dagh grandios meistern. Die Fähigkeit Abays zu jedem noch so vertrackten Gitarrenriff eine eingängige Gesangsmelodie zu finden, führt zu zehn Ohrwürmern, die gleichzeitig über genug Widerhaken verfügen, um die Gehörgänge zu malträtieren. Mühelos bewegen sie sich in diesem Spannungsfeld, aus dem die Intensität des Unvorhersehbaren entsteht, die das Album so großartig macht. Etwa, wenn sie in dem Chaos von Your Garden Platz für den besten Refrain der Platte finden: „The dark days are over“. Symptomatisch, dass das an- und abschließende Me Two mit orientalisch angehauchtem Metal-Riff alles niederwalzt. Bei all der Lobhudelei ist No Future ein Album, das nicht beschrieben, sondern gehört werden will. Tut es. Es lohnt sich.

Label: Hayk/Cargo
VÖ: 14.04.2023

Genre: Noiserock, Alternative Rock

Vergleichbar:
Girls Against Boys – House Of GvsB
Drive Like Jehu – Yank Crime

Wertung:
13/15