Akne Kid Joe bleiben die ironische Punkband für Menschen, die keine ironischen Punkbands mögen.
Pisse, Team Scheisse, Kotzreiz: die Liste an Bands, die ihre linksversifften Botschaften hinter einem Augenzwinkern verstecken, ist genauso lang wie die Gefahr groß ist zur eigenen Karikatur zu werden. Seit 2016 gesellen sich Akne Kid Joe dazu, mit der Fußnote, dass es dem Quartett aus Nürnberg gelingt, Humor nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel einzusetzen, um, von der gescheiterten Beziehung bis zum Nazi-Aufmarsch, alles, was sie was angeht, in einen Song zu verarbeiten. An der Grenze zur Überzeichnung, ja, aber nur an den Stellen, an denen es angebracht ist – auf 4 von 5 etwa in Goldstandard, eine Abrechnung mit Dekadenz und Privilegienblindheit als Lebenskonzept: „Ein Platz in der Sonne für perfekte Bräune/Das neuste Mittel gegen schlimme Träume/Spritz mir das Keramik in meine Zähne/Wildschweinborsten kämmen meine Mähne“. Überzeichnung ist auch mit Blick auf den Gesang der beiden Gitarrist*innen Matti und Sarah das richtige Stichwort – besonders Matti malträtiert seine Stimme oft so lange, bis sie bricht. Zusammen mit dem offensiv eingesetzten Synthesizer so etwas wie das Markenzeichen der Band, das immer dann am meisten auffällt, wenn es im Kontrast steht zu den Gitarrenmelodien, die sich so sehr im Indierock zu Hause fühlen wie auf keinem AKJ-Album zuvor.
Diese neue Melodieverliebtheit, die Mindestbestellwert oder Jason Lee ist nicht mehr bei Scientology auszeichnet, sorgt dafür den Spannungsbogen des Albums durchweg oben zu halten. Besonders das Intro von Die Legende am Glas, einem tragischen Trinklied im Stile von Knochenfabriks Filmriss, überrascht mit einer Nähe zu Turbostaat, die man der Band genauso wenig zugetraut hätte wie Wer hat die Nummer von Bobby McFerrin, einem Reggae-Song (!) über die verzweifelte Suche Hilfe zu finden, wenn man sie am meisten braucht. Vintage Store bündelt die Abneigung gegenüber eben diesen in einem Satz, der wiederum abgedruckt auf T-Shirts gehört: „Das Burzum-Shirt mit schöner Fraktur/Für den jungen Mann von der Grafik-Agentur.“ Diese Momente lassen einmal mehr vergessen, dass der Entstehungsprozess der Band mehr als nur einen Nerv gekostet hat und es mehrere Anläufe gebraucht hat, bis alle mit dem Endprodukt zufrieden waren. Die Arbeit hat sich gelohnt.
Label: Kidnap Music
VÖ: 06.06.2024
Genre: Punkrock
Vergleichbar:
Pisse – Kohlrübenwinter
Team Scheisse – Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (jetzt wird geküsst)
Wertung:
11/15