Konzertbericht: Shame, Köln Club Volta, 04.04.2023

Shame geben sich beim letzten der insgesamt vier Deutschland-Konzerte auf ihrer aktuellen Tour gewohnt publikumsnah, äußerst exzentrisch und sorgen mit einer krachenden Setlist für einen denkwürdigen Abend.

Vorher gibt es in Form des US-HipHop-Duos They Hate Change einen eher ungewöhnlichen Support, der das Publikum mit Beats aus der Büchse eine halbe Stunde lang aufwärmt. Das muss heute nicht wie ursprünglich angekündigt in das in Altstadt-Nord gelegene Gloria, sondern nach Mühlheim in den halb so großen Club Volta, der mit knapp 450 Besucher*innen wenigstens so gut wie ausverkauft ist. Die abgelegene Lage nutzen Shame soundtechnisch voll aus und drehen die Verstärker maximal auf. Nach dem vergleichsweise gemäßigten Opener Fingers Of Steel lässt es die Band aus South London im zweiten Song Alibis erstmals krachen, während sich Frontmann Charlie Steen zum ersten Mal von den Händen des Publikums tragen lässt, ehe zu Alphabet erstmals der Moshpit aufgeht. Nicht nur Steen gibt sich äußerst zappelig, auch seine Bandkollegen an Gitarre und Bass springen immer wieder wie aufgescheucht über die Bühne. Dass das Quintett bereits seit drei Wochen durch ganz Europa tourt, ist ihm überhaupt nicht anzumerken. Ganz im Gegenteil: es scheint so, als würden die Briten für die finalen drei Konzerte in Köln, Brüssel und Amsterdam nochmal alles raushauen wollen.

Das machen sie mit einer sich nahezu gleichmäßig auf ihre bisher veröffentlichten drei Alben fokussierenden Setlist – das Ende Februar erschienene dritte Album Food For Worms ist mit sieben Songs am meisten und damit zweimal öfter als Songs Of Praise und Drunk Tank Pink vertreten – als auch mit einer Spielweise, die eher dem Noiserock von Drunk Tank Pink und weniger dem Post-Punk von Songs Of Praise gleicht. Schlagzeuger Charlie Forbes spielt seine Drums etwa so, als würde er Kleinholz verarbeiten und die Gitarristen Eddie Green und Sean Coyle-Smith interpretieren die Songs live nochmal roher und wuchtiger als sie es eh schon sind. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dennoch unangefochten Sänger Steen. Der Lockenkopf ist eine krasse Rampensau, der nur wenige Ansagen tätigt, die dabei stets gehetzt und kaum verständlich sind. Stattdessen knöpft er beim vierten Song Concrete sein Hemd auf und zieht dieses vor dem sechsten Song Six-Pack aus, lässt sich dazwischen in The Lick aber erneut vom Publikum in die Höhe werfen. Zu Beginn von 6/1 joggt er auf der Stelle, während er am Ende von Six-Pack wild mit den Armen wackelt und während One Rizla mit seinem Mikroständer eine Runde Gewichtheben einlegt. Das alles ist dabei nur Randnotiz neben seinen zahlreichen sprechgesangsartigen, exzentrischen Ausbrüchen in zahlreichen Songs. Seine Energie überträgt sich schnell auf das Publikum, das insbesondere bei Hits wie Six-Pack und Tasteless schwitzige Moshpits formiert und bei Water In The Well und dem Evergreen One Rizla zusätzlich noch lautstark mitsingt, sich aber auch bei den neuen Songs von Food For Worms textsicher zeigt. Zu Angie wird ein letztes Mal im Kreis gehüpft, ehe Shame nach 80 Minuten ohne Zugabe die Bühne verlassen. Die haben sie auch gar nicht nötig, denn ihr Auftritt war auch so schon ganz groß.