Review: Bury Tomorrow – The Seventh Sun

Auch wenn neue Bandmitglieder für frischen Wind sorgen, bleiben Bury Tomorrow ihrer
Formel treu. Das Ergebnis ist als Gesamtwerk betrachtet eines ihrer stärkeren Alben, das sich
an einigen Stellen aber nicht für eine Nische entscheiden kann.

Zwischen Ambition, ihren Metalcore-Wurzeln und der eigenen Neuentdeckung stellte sich für Bury
Tomorrow mit neuem Rhythmusgitarristen und Keyboarder die Frage, welchen Weg sie nach ihrem
bisher erfolgreichsten Album Cannibal (2020) einschlagen würden. Nicht ohne Grund, denn dieses
katapultierte die ewig aufstrebende Metalcore-Band, die mittlerweile in ihr 16. Existenzjahr
geht, sogar auf den dritten Platz der deutschen Albumcharts. The Seventh Sun – passenderweise das
siebte Studioalbum der Briten – ist dabei die erste Platte ohne Gründungsmitglied Jason Cameron,
der das Mikrofon für den Klargesang an den neuen Keyboarder Tom Prendergast weitergibt.
Dieser funktioniert auf The Seventh Sun am besten, wenn er nicht für Verse oder Chorus dichotom
mit der Kettensägen-Stimme von Daniel Winter-Bates rotiert. Winter-Bates‘ gutturaler Gesang ist,
auf dem kompletten Spektrum von Growls bis high-pitched Screams, wie auf den letzten Alben der
Band auch auf dieser Platte wirklich stark und nicht erst in den letzten Jahren zu einem
Erkennungsmerkmal der Band geworden. Um nun die eingänglich formulierte Frage zu beantworten,
muss leider gesagt werden, dass dieses auch leider das einzig wirkliche solche dieser Platte ist, die
sich zwischen atmosphärischem Stadion-Metalcore und an Deathcore grenzender Brachialität hin
und her bewegt, denn die Band entscheidet sich für einen Mittelweg aus den genannten Optionen.

Die wirklich starke Lead-Single Abandon Us ist dabei ein Beispiel dafür, wie die Marschroute der Band
funktionieren kann. Trotz formeltreuem Songwriting stechen auf diesem Track der im Vergleich zum
Vorgängeralbum polierte, aber dennoch raue Sound mit minimalistisch geschriebenen Gitarren
heraus, der sich zum Schluss in einem monumentalen Growl-Breakdown entlädt. Weitere
Positivbeispiele sind Forced Divide, dessen unsaubere Passagen sich in der Härte vor
vielen Deathcore-Bands nicht verstecken müssen und Boltcutter, bei dem die Stadionformel mit
Mitsingversen, geschrienen Chorus und wohlplatziertem Breakdown perfekt aufgeht. Im Kontrast
dazu folgt auf diese beiden Titel der schwächste Song des Albums, Wrath, bei dem trotz Überlänge
außer den uninspirierten Streichern zum Abschluss leider gar nichts hängen bleibt. Dass sie diese
auch gut in einen Song integrieren können, zeigen Bury Tomorrow mit Majesty, in dessen langsamen
Aufbau Prendergasts Klargesang am bisher stärksten klingt und schließlich in einem kleinen
Duett mit Winter-Bates seine volle emotionale Breite ausschöpft.

Die Single Heretic mit While-She-Sleeps-Sänger Loz Taylor ist der wohl am meisten herausstechende Track des Albums, denn hier kann die Band ihren dunklen Sound komplett authentisch auf Platte bringen und Taylor klingt in seiner Passage auf die beste Art und Weise wie ein wildgewordener Dämon. Recovery fühlt sich dann erneut nach verschwendetem Potenzial an, denn was eine starke Mental-Health-Hymne hätte sein können, verkommt durch einen zu nichts aufbauenden Build-Up zu einem der beiden überspringbaren Tracks des Albums. Die Platte schließt aber versöhnlich ab: Care überzeugt mit rohem, lautem und brutalem Breakdown, der Wage-War-Fans aufhorchen lassen wird und The Carcass King ist ein gelungener Albumcloser, der mit The-Voice-(UK)-Drittplatzierter Cody Frost auch noch ein spannendes Feature bereithält. Abschließend lässt sich sagen, dass Bury Tomorrow hier ein überdurchschnittliches Metalcore-Album veröffentlichen, welches vielen bestehenden Fans trotz Lineup-Wechsel viel Freude bereiten wird, sein Potenzial aber nicht voll und ganz ausschöpft. Große Stadien wird es (noch) nicht füllen, doch es fühlt sich immer mehr so an, als sei die Band nur noch ein Album davon entfernt.

Label: Columbia
VÖ: 31.03.2023

Genre: Metalcore, Post-Hardcore

Vergleichbar:
Wage War – Pressure
Fit For A King – The Path

Wertung:
10/15