Review: Madsen – Hollywood

Hört man sich das neunte Album von Madsen an, kann man den Eindruck gewinnen, dass sie ihren Biss auf dem DIY-Punk-Album Na gut dann nicht (2020) gelassen haben und sich Punk für die Band aus dem Wendland mittlerweile vor allem in ihrer Haltung manifestiert.

Hollywood ist über die vergangenen fünf Jahre seit dem Erscheinen von Lichtjahre (2018) entstanden. Seitdem hat das Quartett nicht nur angestaute Wut spontan auf Na gut dann nicht kanalisiert, Frontmann Sebastian Madsen hat 2022 zudem sein erstes Soloalbum Ein bisschen Seele veröffentlicht. Hollywood erscheint nun auf dem neu gegründeten, eigenen Label Goodbye Logik Records, wurde von Madsen live und ohne Metronom im Clouds Hill Studio eingespielt und rückt auf seinem neonfarbenen Cover die vom Abriss bedrohte Hamburger Sternbrücke und die um sie herum gewachsene, ebenfalls bedrohte Subkultur in den Fokus. Neben dem rockigen und für Zusammenhalt plädierenden Brücken spiegelt sich der Punk-Geist zudem im Titeltrack wider. In Hollywood geht es um ein nach Deutschland geflüchtetes und rassistisch angegangenes Kind, das sich Trost beim Superheldenkino sucht. Das klingt erstmal nach viel Kitsch, Madsen verwandeln diese Thematik mit Streichern und der simplen, aber effektiven Titelzeile „Bau mir ein Hollywood in diese graue Hood“ aber in ein kraftvolles Statement gegen Rassismus.

Während der zentrale Reim im Titeltrack sehr gut funktioniert, stellen sich angesichts mancher Wortspiele dagegen die Nackenhaare auf. Durch die Strophen des eröffnenden Ein bisschen Lärm muss man sich aufgrund von Zeilen wie „Ich brauche keine Substanzen, ich brauche Substanz“ oder „Ich brauche keine Raster und ich brauche keine Rast“ trotz eines zurückgelehnten Ohrwurmrefrains durchkämpfen. Das Versprechen von Lärm und Geschrei hält die restliche Platte zudem nicht wirklich ein. Willi ist eine gut gemeinte, aber beliebige Ode an die Freundschaft, während der vom Widerstand handelnde Text von Der Baum nicht so recht zur weichen Indie-Instrumentierung des Songs passt. Unter dem Radar changiert hingegen gut zwischen softer und rockiger Instrumentierung. Das softrockige Das Beste von mir ist wiederum nicht mehr weit von Sportfreunde-Stiller-Kitsch wie Ein Kompliment oder Das Geschenk entfernt.

Lyrisch an der Grenze ist Heirate mich, das man durchaus als Fortsetzung von Küss mich von Kompass (2015) verstehen kann, das dank flotter Indierock-Gitarren aber auf der Habenseite steht. Die wird angeführt vom abschließenden Wir haben immer noch die Sonne, bei dem sich plötzlich Gitarrenwände auftürmen, wie man sie eher von Biffy Clyro gewohnt ist und der das Album mit jeder Menge Hoffnung abschließt. Auch wenn Hollywood viel Gutes bietet, müssen Madsen aufpassen, dass sie nicht in die dunklen Gefälligkeitspoprock-Löcher abrutschen, denen die Sportfreunde Stiller erst im vergangenen Jahr wieder entkommen waren.

Label: Goodbye Logik
VÖ: 18.08.2023

Genre: Indierock, Alternative Rock, Pop

Vergleichbar:
Jupiter Jones – Die Sonne ist ein Zwergstern
Sportfreunde Stiller – Jeder nur ein X

Wertung:
9/15