Die Jahrhunderthalle zählt eindeutig zu den kleineren Hallen, die Bring Me The Horizon auf ihrer aktuellen Tour bespielen – und das, obwohl am Dienstagabend ganze 4300 Leute dort aufzufinden waren. Ja, die Zeiten von kleinen, schwitzigen Clubs sind wohl endgültig vorbei für das Quintett. Doch haben sie das Zeug, zu den ganz Großen zu zählen? Wir berichten über den Abend in Frankfurt.
Es scheint so, als könnten sich Bring Me The Horizon einfach nicht entscheiden, wie sie den Abend einläuten wollen. Kuschelrock oder Knüppelcore? Entspannung oder Eskalation? Wie bereits bei der letzten Tour unterscheiden sich die beiden Support Bands so stark voneinander, dass man sich tatsächlich fragt, was uns diese Botschaft nun übermitteln soll. Mit Basement startet das Programm um 19:30 Uhr so entspannt, dass man sich gerne hinsetzen und eine Runde Uno spielen würde. Musikalisch liefern die Jungs einen langsamen Alternative Rock ab, der stellenweise interessante Gitarrenparts hervorbringt, nur um wenige Sekunden später ins Belanglose abzudriften. Der Gesang von Andrew Fisher hallt vor sich hin und erinnert in seinen besten Momenten an Placebo, wobei das Set nicht von wirklich eingängigen Melodien geprägt ist – schade. Basement verlaufen sich leider im Labyrinth der Tempowechsel ohne Spannung, sodass es sich wie der Hauptteil von „…Und täglich grüßt das Murmeltier“ anfühlt. Jeder Song liefert zwar starke Variationen in Sachen Tempo und Rhythmik, klingt aber miteinander verglichen nahezu identisch, sodass sich die 30 Minuten auf der Bühne ins Unermessliche ziehen. Nächstes Mal ein bisschen mehr Action, bitte?
Ganz anders verhält es sich mit While She Sleeps, die unverschämt lässig ihr Set durchkloppen und einen heldenhaften Job dabei abliefern, die Menge so richtig ins Schwitzen zu bringen. Mit „Brainwashed“ wird bereits mindestens die Hälfte der Energie des Publikums mit dem ersten Song ausgeschöpft. Sie haben es halt nicht so mit Gemütlichkeit. Lawrence „Loz“ Taylor brilliert auf der verkleinerten Bühne mit seiner rauen Stimmgewalt, die trotz Stimmband-OP die Krone für sich gewinnen kann an diesem Abend. Da ist es auch nicht allzu schlimm, dass der Sound auf der Anlage hier nicht optimal ist, da das Publikum wie eine wilde Meute über jeden Part herfällt und den schwitzigen Freiraum im Publikum voll auskostet. Hits à la „Four Walls“, „This is The Six“ sowie der neueste Song „Civil Isolation“ vereinen wild entfachtes Singalong Feuer mit brüderlichem Geschubse. Am Ende des Sets bleibt nicht mehr viel zu sagen übrig, was daran liegen könnte, dass jeder vollkommen aus der Puste ist und sich erste Fans in den Toiletten einfinden, um sich Wasser ins Gesicht zu kippen. Eine Band geht noch, irgendwie.
Das Ausmaß der Bühnenproduktion ist schon zu erkennen, als der Vorhang fällt und riesige LED-Bühnenplatten zurechtgeschoben werden. Bring Me The Horizon haben wohl keine Scherze gemacht, als sie von Skrillex und Muse als Einflüsse für ihre Bühnenbilder sprachen. Auch die Musik, die den Headline Slot einleitet, wirft Fragen auf. Sowohl De Staat, Die Antwoord als auch The Prodigy tummeln sich hier in der Playlist vor dem Bühnenaufgang – Bring Me haben sich endgültig von den Vorlieben ihrer alten Tage getrennt, was aber der Performance der Band keinen Abbruch tut: „Happy Song“ kommt live wesentlich basslastiger und verzerrter als auf Platte daher und eliminiert die Möglichkeit potenzieller Handymitschnitte direkt zu Beginn der Show. Überraschenderweise finden sich in der brodelnden Masse auch viele jüngere Fans, die sich nicht davor scheuen, die Sau rauszulassen, statt auf Snapchat online zu sein. So wird es gemacht!
Das Bühnenbild für diese Tour setzt nochmal einen drauf und führt in vielen Gesichtern zu Staunen, Wunder als auch Stolz. Die durchdachten Videoprojektionen und verschiedensten Bilder auf den Leinwänden gehören qualitativ nun wirklich zu den besten Designs, die man die letzten Jahre gesehen hat. Eisige Wälder bei „The House of Wolves“, riesige Schriftzüge zum Mitsingen bei „Happy Song“ oder auch loderndes Feuer bei „Follow You“ – die Jungs spielen durchgehend All In und gehen mit dem Jackpot hervor. „Shadow Moses“ beweist live erneut, was für eine unvergleichbare Hook Oliver Sykes hier geschrieben hat, während „Chelsea Smile“ besonders brachial daherkommt inmitten der ansonsten modern gestalteten Setlist. Alles springt, setzt sich hin und springt erneut. Die Stimmung ist blendend und stimmliche Aussetzer des Frontmanns gehen im lauten Getöse der Masse unter. Im Zuge dieser Publikumserschöpfung kommt der Popsong „Follow You“ sogar wie gerufen und wird überraschend lässig vorgetragen von den Jungs aus Sheffield. Ein berührendes Intro zu „Doomed“, in dem der Tod Tom Searles, der Verlust Sykes‘ Frau als auch eine generelle Tiefphase seines Lebens angedeutet wird, untermalt den Monolog des Sängers visuell mit blühenden Rosen. Diese Bilder und Botschaften, die die Gruppe vermehrt im Laufe des Abends über die Bildschirme laufen lässt, sind nun einfach schön und bewegen so manchen Zuschauer regelrecht bis zur Rührung. Dasselbe kann leider nicht für „Oh No“ aus dem Zugabenblock gesagt werden – Die Menge wirkt tot und es scheint, als wäre man auf einer schlechten Party gelandet. Dieser Patzer wird jedoch schnell wieder vergessen, als „Drown“ den Abend gebührend unter Konfetti und Dampfkanonenfeuer abschließt.
Bring Me The Horizon haben an diesem Abend bewiesen, dass sie das Zeug haben, in großen Locations zu spielen. Mit einer Setlist von nur 15 Songs ist die Länge der Performance zwar ausbaufähig, doch das weltklasse Bühnendesign als auch eine feierwütige Menge beweisen, dass die Band es geschafft hat, den Mainstream für Rockmusik zu öffnen – die Tore sind offen. Die Band hat mehrfach angedeutet, Reading und Leeds zu headlinen…Wohin die Reise mit dem nächsten Album sowohl musikaisch als auch auf der Karriereleiter geht, wusste man noch nie. Wir sind gespannt!
© Fotos von Joshua Lehmann