Dass Enter Shikari Shows energetisch sind, ist wohl spätestens seit der extensiven Tour dieses Frühjahres bekannt. Zum Glück müssen Couchpotatoes jetzt nicht mehr weiter trauern, etwas verpasst zu haben: Das Quartett aus St. Albans bringt den Moshpit nämlich jetzt mit der neuen Live CD bis nach Hause ins Wohnzimmer.
„Greetings, carbon-based life forms“, witzt Sänger Rou Reynolds nach einem heimsuchenden Intro und Folgesong „Solidarity“, welcher die Trommelfelle mit angenehmen Bässen massiert. Alles auf Anfang. Die Band setzt ihr Eröffnungstrio mit dem Klassiker „Sorry, You’re Not A Winner“ und dem wunderschönen „The One True Colour“ fort. Bei manch anderer Gruppe wäre mit ersterem Lied bereits das Ass verspielt und man würde sich fragen, was sie denn jetzt bitte noch tun könnte, um das zu steigern. Zwar lässt es sich nicht aus den Kopfhörern erahnen, doch wer Videomaterial gesehen oder die Band live erlebt hat, weiß, dass die Show hier erst richtig losgeht. Mit grandioser Beleuchtung als auch verzaubernden Bühnenbildern packen die Jungs hier die Kritiker am Kragen und führen sie stolz an der Leine. Schade, wenn man das Ganze nicht sehen kann ohne Bilder!
Der Konzertmitschnitt überzeugt aber in der klanglichen Komponente: die schrillen Effekte, für die die Band so bekannt ist, schwirren auf den Kopfhörern wild umher und vermitteln den Druck der Musik, so gut es geht. Die synthetische Arbeit Rou Reynolds kommt besonders differenziert zur Geltung; der Gesang ist messerscharf, die Gitarren klingen wuchtig und flächig zugleich in Liedern wie dem Mashup „The Last Garrison / No Sleep Tonight“. Die CD wird durchgehend von Zwischenspielen begleitet, die sowohl spannend als auch erzählerisch wirken. Mal geht es um die Evolution der Erde, mal um galaktische Sphären („Redshift“) oder das britische Gesundheitssystem („Anaesthetist“) – Enter Shikari spannen einen großen Bogen, der nur so von Sozialkritik und Philosophie wimmelt.
Die ruhigeren Momente des Livealbums wie bei „Dear Future Historians…“ setzen einen Kontrast zu heftigen Dampfwalzen wie „Destabilise“ und ermöglichen kurzen Raum zum Atmen, ehe das zivilisierte Dasein erneut vom selbstironischen Stampfer „Arguing With Thermometers“ zerrissen wird. Generell überwiegt inmitten der Song Auswahl insbesondere der „rowdy part of the set“. Genau das braucht es aber auch, damit man weiß, dass sich Enter Shikari trotz politischer Statements nicht allzu ernst nehmen. Die nötigen Indizien liefert das angepisste „Slipshod“, welches, entgegen ansonsten kritischer Lyrik, hier vehement einen zum Scheitern verurteilten Restaurantbesuch auseinandernimmt. Folgelied „The Jester“ dotzt auch nur so vor sich, wie ein Eichhörnchen auf Speed; Kühe muhen über die Anlage, Kuhglocken erklingen – man könnte meinen, es sei Zeit für die Irrenanstalt, würde man die Band nicht besser kennen. Klasse!
Ein weiterer Aspekt sind die Live Remixe, die im Laufe der 100 Minuten immer wieder das Licht erblicken dürfen. Da haben die ehemaligen Touren mit The Prodigy aber ein ganz schön großes Fass aufgemacht! Enter Shikari sind nun mal eben keine „Rockband“ im eigentlichen Sinne. Wer versucht, hier eine Genre-Spezifizierung zu finden, dürfte wohl noch in fünfzehn Jahren Leute um Rat bitten. Die einen hassen es, die anderen lieben es. Doch nichts kann den musikalischen Weg stoppen, den die vier eingeschlagen haben. Das neueste Lied „Redshift“ mischt Coldplay Singalongs mit eindringlichen Streicher Arrangements während das abschließende „The Appeal and The Mindsweep II“ am besten zur Zerstörung eines BMW angemacht werden sollte. „Live at Alexandra Palace“ ist eine CD, die Enter Shikaris Live Energie gekonnt einfängt – doch erleben sollte man sie dennoch immer in Person. Es lohnt sich!