AnnenMayKantereit veröffentlichen ein überraschend düsteres zweites Album und rechtfertigen damit den Hype um ihre Band.
Als Schreiber kann man froh sein, dass die Kölner von Schlagschatten noch nicht alle 14 Songs vorab veröffentlicht haben, sondern ,,nur“ sieben. Als Gesamtwerk betrachtet fällt Schlagschatten deutlich düsterer als der Vorgänger Alles nix konkretes aus und mit Weiße Wand positioniert sich das Quartett auch erstmals politisch: ,,Flüchtlingskrise fühlt sich an wie Reichstagsbrand/ Auch wenn ich das nicht vergleichen kann“. Der düstere Song folgt an sechster Stelle relativ überraschend: Zunächst eröffnen AnnenMayKantereit mit dem beschwingten Trennungslied Marie, um in Nur wegen dir und In meinem Bett das Gefühl der Liebe gut einzufangen. Auf die großartige und tanzbare Anti-Party-Hymne Ich geh heut nicht mehr tanzen folgt schließlich das ebenfalls tanzbare Freitagabend, das dem Nachtleben allerdings positiver gestimmt ist. Und dann eben Weiße Wand.
Eine nennenswerte Weiterentwicklung ist der sonst so kratzige Gesang von Frontmann Henning May, der sich nun auch mal traut, höhere Töne anzustimmen – und dies bravourös meistert. Die melancholische Pianoballade Hinter klugen Sätzen stemmt er alleine, in Jenny Jenny singt er über eine gar nicht mal so glückliche Flugbegleiterin und Alle Fragen thematisiert den ersten Besuch in der Heimat ohne die langjährige Partnerin. Die zentrale Thematik in den Songs von AnnenMayKantereit stellen also noch immer Liebesbeziehungen dar, May schafft es aber, Kitsch und Fettnäpfchen zu umgehen. Dennoch hat er sich als Texter weiterentwickelt. Songs wie Weiße Wand oder auch das von Drogensucht handelnde Schon krass wären vor zweieinhalb Jahren auf dem Debütalbum noch undenkbar gewesen. Deswegen hat Schlagschatten im Vergleich zum höchst erfolgreichen Debüt auch die Nase vorne.
Label: Vertigo Berlin
VÖ: 07.12.2018Genre: Indierock, Pop
Vergleichbar:
Fynn Kliemann – Nie
Von wegen Lisbeth – GrandeWertung: 12/15