Review: Brutus – Nest

Wuchtiges Kraftpaket ohne Schnickschnack: Brutus erteilen anderen Trios mit ihrem Zweitwerk einen Denkzettel in Sachen effektivem, minimalistisch gedachtem Songwriting.

Bereits 2017 wurde mit Burst klar, dass die Belgier sich ihres Weges sicher sind. Leinwandgroß schwebte dort schon der Gesang Stefanie Mannaerts über fixem Schlagzeug und einem kraftvollen Fundament der beiden Gitarren. Das einfache, aber effektive Rezept des Trios setzt sich auf Nest weiter fort. Statt multiplem Layering der Gitarren wird besonders oft das Reverbpedal zu Rate gezogen, während Bassist Peter Mulders konsequent mit Pausen arbeitet. Diese Start-Stop-Technik verleiht den Liedern die nötige Dynamik, die bei solch einem Sound womöglich sonst verloren ginge. Im Hinblick auf diesen Aspekt dient die Vorabsingle War als perfektes Beispiel: ein schönes Cleanintro wird subtil vom Bass begleitet, Mannaert singt und schreit sich die Seele aus dem Leib, als ob es kein Morgen gäbe. Diese ganze Romantik wird dann erstmal zerstört von einem Hardcorepunk Teil, der so auch auf einer Sick of It All Platte hätte landen können. Doch es finden sich auch noch potentielle Ohrwürmer: Django stampft mit Four-on-the-Floor volle Kraft voraus und ist der wohl zugänglichste Song der Platte. Techno folgt einem ähnlichen Prinzip, kreiert über dreieinhalb Minuten ein riesiges Crescendo und bricht gen Ende noch einmal dramatisch aus. Grundsätzlich ist es erstaunlich, dass Brutus Brutalität ausstrahlen, ohne dabei auf Powerakkorde setzen zu müssen. Vielmehr der dichte Vorhang aus Blastbeats, Tremolo Picking Gitarre und Bass füllen den gesamten Raum, sodass kein Wunsch offen bleibt.

Anstatt jede Lücke mit Gesang zu füllen, überlassen die Musiker auch oft einfach ihren Instrumenten die Aufmerksamkeit. Cemetery zum Einen handelt den Gesang in manchen Teilen schon fast als Nebensache und stellt das positiv überrumpelnde Klanggeflecht in den Vordergrund. Sugar Dragon gehört auch zu den Liedern jener Sorte, kulminiert in einem einzigen Gewitter aus triolischem Schlagzeuggemetzel und dem finalen, langsamen Abschwellen des Unwetters. Nach dem ersten Durchlauf kann man schon ziemlich mitgenommen sein, denn Brutus hören ist nicht Kindergarten. Im Gegenteil: der Sound ist schön rau, unpoliert und klingt oftmals nach einem perfekten Probenraum Mitschnitt. Was hingegen beim Debüt noch zu verkopft wirkte, ist auf dem Neuwerk wesentlich kohärenter: Mehr als zuvor fließen die Songpassagen von einer zur nächsten und ziehen den Zuhörer in ihren Bann.

Mit Nest kann das noch sehr unbekannte Projekt den zuvor schon erstaunlich definierten Sound weiter ausbauen und liefert noch ein wenig mehr wirre Wendungen als zuvor. Der Ansatz, den Einsatz jedes Instruments gleich zu behandeln, ist spannend, und geht vollkommen zugunsten der Musiker auf. Mindestens eine Brutus Platte darf bei keinem Blackmetal- oder Postpunkfan im Regal fehlen.

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Label: Hassle Records
VÖ: 29.03.2019

Genre: Mathrock / Shoegaze

Vergleichbar:
Pagan – Black Wash
Deafhaven – Honeycomb

Wertung:
13/15