Review: Refused – War Music

Wie weit darf politischer Aktivismus gehen? Wann ist die Grenze zum Extremismus überschritten? Diese Fragen werden heutzutage vielleicht so stark diskutiert wie noch nie, auch in der Musikszene. Die Hardcore-Legenden Refused waren schon immer eine politische Band, ihr fünftes Album War Music überspannt dagegen den Bogen eindeutig.

Schon der Albumtitel sorgt für eine Kontroverse – kann Krieg überhaupt gut sein? Braucht dieser eine musikalische Untermalung? Eine Antwort auf diese Frage sei jeder Person selbst überlassen, die Titel der zehn Songs auf War Music sprechen dagegen ebenfalls eine deutliche – und gewaltsame – Sprache: Blood RedViolent ReactionI Wanna Watch The World Burn. Noch problematischer wird die ganze Angelegenheit bei Betrachtung der Lyrics und Zitate, die dem Album beiliegen und die die Texte inspiriert haben. So findet sich neben den Lyrics des Openers Rev001 ein Zitat von Ulrike Meinhof, Gründerin der Roten Armee Fraktion (RAF), radikale Linke und spätere Linksterroristin, das auf ihre gewaltvolle Natur schließen lässt: „Protest ist, wenn ich sage, dass mir das nicht gefällt. Widerstand ist, wenn ich dem, was ich nicht mag, ein Ende setze.“ Problematischer werden die Zitate nicht mehr, dafür aber die Texte von Frontmann Dennis Lyxzén. Sei es der Aufruf zur Revolution in Rev001, das Sehnen nach Kampfgeist in Blood Red oder die Zeilen „I have violence coursing through my veins/ I have war coursing through my veins“ in Damaged III – das entspricht der Form Linksextremismus, die auch schon Stray From The Path in den Kommentaren unter dem Video zum Song Goodnight Alt-Right um die Ohren geflogen ist.

Es gibt aber auch positive Ausreißer nach oben: I Wanna Watch The World Burn suhlt sich zu klarem Gesang in Verzweiflung über den aktuellen Zustand unserer Gesellschaft, im Hardcore-Brecher Turn The Cross motiviert Lyxzén zu Standhaftigkeit und Durchhaltevermögen, eben weil sich die Geschichte von Ungleichheit in unserer Gesellschaft, Faschismus und Nationalismus wiederholt. Etwas Versöhnung mit den radikalen Texten gibt es im abschließenden Economy Of Death, einer song-gewordenen Variante des Nicolas-Cage-Waffenhändler-Dramas Lord Of War, in der Refused den Kapitalismus für den allgegenwärtigen Kriegszustand anprangern.

Musikalisch ist War Music dagegen ein Werk aus einem Guss, das fast keinen Raum für Experimente lässt und aufgrund seines rohen Hardcore-Punk-Duktus eher an das 1996 erschienene zweite Album Songs To Fan The Flames Of Discontent als an das Genre-Grenzen sprengende Meisterwerk The Shape Of Punk To Come von 1998 erinnert. Experimente wie Bläser aus War On The Palaces vom Vorgänger- und Reunionalbum Freedom (2015) sucht man vergeblich – War Music geht den musikalisch schlichtesten Weg, den die Schweden hätten einschlagen können. Würde man Joaquin Phoenix‘ Joker-Figur nach dem passendsten Album für den Straßenkampf gegen die Oberschicht von Gotham City fragen, War Music hätte gute Chancen, auserwählt zu werden.

cover Refused - War Music

Label: Spinefarm
VÖ: 18.10.2019

Genre: Hardcore, Punk

Vergleichbar:
The Casualties – Written In Blood
Fever 333 – Strenght In Numb333rs

Wertung:
8/15