Review: The Screenshots – 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee

Hello, do you have a minute to talk about 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee? Die neue Platte des innovativen und garantiert nachhaltig großartigen Startups The Screenshots wird dafür sorgen, dass die Nadeln diverser Geschmackometer auf der ganzen Welt verrückt spielen, versprochen. Erleben Sie jetzt elf Songs der Social-Media-Supergroup und helfen Sie dabei mit, den Screenshots den wohlverdienten kommerziellen Erfolg und damit endlich eine Antwort auf die Frage „What’s your story?“ zu bescheren. Thanks for coming to my elevator pitch!

Ganz nach oben in die Charts – aka „Scharts“ (hierzu Folge vom 15. Oktober 2020 des Erfolgs-Podcasts „The Screenshots Morning-Show“ anhören) – zu kommen ist das erklärte Ziel der Screenshots. Die dreiköpfige Musikunternehmung – bestehend aus den Twitter-Legenden Susi Bumms, Dax Werner und Kurt Prödel – ist zwar bekannt für ihre Ironie, aber hiermit ist es ihnen ernst. Glaube ich zumindest. Ist aber eigentlich auch egal, denn sicher ist: verdient hätten sie es. Mit Blick darauf, dass sich die Screenshots über Twitter kennengelernt haben und dass das ganze Unterfangen als Hobby begann, fällt es auf den ersten Blick sicher leicht, die Band zu belächeln. Spätestens mit 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee hat sich das selbsternannte Startup Screenshots aber zu einer durchaus ernstzunehmenden Indie-Punk-Band entwickelt. Möge also dieses nun erscheinende dritte Album die Band genauso langlebig werden lassen, wie ein achtlos in dieses Internet hochgeladenes Bildschirmfoto.

Insgesamt elf Songs umfasst der neue Tonträger. Der Sound bewegt sich zwischen Punkrock, Post-Punk und Indie, ist mal laut, mal behutsam, dabei aber immer mitreißend. Insgesamt sechs Singles haben die Screenshots seit Oktober 2019 bereits veröffentlicht. Als erste Singleauskopplung erblickte Wir lieben uns und bauen uns ein Haus das Licht der Welt. Darin heißt es: „Früher waren wir wild und unbequem, heute geht’s um Liebe und Vertrauen/ Die neuen Nachbarn sind genau wie wir und darum bleiben wir für immer hier/ Wir lieben uns und bauen uns ein Haus!“ Wollen sie also sesshaft werden, diese Screenshots? Wohl eher nicht, wie man in einem aktuellen Interview lesen kann, bei dem zumindest Kurt Prödel darüber spricht, wie furchtbar er die im Song selbst besungene Idee findet.

Humor und Ironie dürfen und sollten nicht nur bei diesem Song, sondern auch beim Rest des gesamten Albums durchaus mitgehört werden. So auch bei Träume (ft. LGoony), einem Abgesang auf neoliberale Denkweisen. Bei der Promo zu diesem Song haben die Screenshots sowieso den besten Marketingcoup gelandet und sich für die Premiere des Videos einfach mal mit dem Wirtschaftsmagazin Business Punk zusammengetan. Diese veröffentlichten auf ihrer Webseite am 11. September 2020 einen Artikel zum Song inklusive Interview mit der Unternehmer*innengesellschaft Screenshots. Und liebe Freund*innen, dieses Interview ist ziemlich sicher das Lustigste, das ich in den letzten sechs Monaten im Internet gelesen habe. Hier brillieren Business Lady Susi und ihre Geschäftspartner Werner und Prödel mit den wunderschönsten Bullshit-Antworten, die man sich für ein Interview mit einem „Business-Lifestyle-Magazin“ vorstellen kann. So antwortet Kurt Prödel beispielsweise auf die Frage, wer seine Vorbilder sind, mit: „Meine Vorbilder sind Menschen mit Erfolg. Menschen, die es aus eigener Willenskraft geschafft haben. Menschen, die die Boote abgebrannt haben. Menschen, die die Brücken abgerissen haben. Menschen ohne Plan B. Menschen, die sich auch mal Geld von der Familie leihen, um eine Idee auf die Bahn zu bringen.“ Toll, toll, toll. Nun aber fix zurück zu 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee.

Weitere persönliche Lieblinge auf dem Album – neben den oben genannten – sind Airbnb (Welcome to Germany aka bei Freunden pennen müssen, weil man die eigene Wohnung per Airbnb an die „Frau mit den drei Hunden“ vermietet hat – Klassiker), Snacks („Ich will eigentlich Snacks, doch du willst nur Sex“ – love it) und John Mayer. In letzterem singt Susi Bumms ein Dankeslied an den Kitsch und klingt dabei wie eine Melange aus Schnipo Schranke und Annette Humpe, wenn sie über blaue Augen singt. Es ist ganz wunderschön, ich freue mich jetzt schon wahnsinnig drauf, den Song irgendwann mal live zu hören!

Alles in allem macht es einfach sehr viel Spaß, den Screenshots auf 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee zuzuhören. Das Album ist vielseitig – sowohl musikalisch als auch lyrisch – und könnte die Band vielleicht tatsächlich ein Stück weiter Richtung Mainstream befördern. Moment, sagte ich Band? Pardon, Startup meinte ich natürlich. Und wem die Musik des Startups nicht genug ist, dem sei hiermit wärmstens auch der oben bereits erwähnte Podcast „The Screenshots Morning-Show“ empfohlen (Buch- und Parfüm-Tipps, Wettervorhersage und prominente Gäst*innen, uhm hello?). So genug der Worte. Obwohl eins bleibt noch zu sagen: Kauft die Screenshots in die Charts, verdammt!

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Label: Musikbetrieb R.O.C.K.
VÖ: 16.10.2020

Genre: Indierock, Pop-Punk, Punkrock

Vergleichbar:
Die Nerven – Fake
Blond – Martini Sprite

Wertung:
13/15