Sperling klingen wie Casper, wenn der seinen Indie-Rap mit einem Cello untermalen und die Gitarren an breiten Post-Hardcore-Wänden zerschellen lassen würde. Oder wie Heisskalt, wenn die – ach lassen wir das.
Der deutschsprachige Post-Hardcore hat dank Bands wie Heisskalt oder Fjørt in den vergangenen Jahren eine wahre Blütezeit erlebt, in der zahlreiche Sprösslinge wie 8Kids oder Kind Kaputt aus der Erde gesprießt sind. Im gleichen Blumenbeet haben sich auch Sperling aus dem Hunsrück eingepflanzt, erblühen jedoch in einer leicht anderen Farbe. Zum typischen Bandgefüge – bestehend aus Schlagzeug, Bass, Gitarre und Gesang – gesellt sich beim Quintett noch ein Cello hinzu, das auf dem Debütalbum zum heimlichen Star mutiert. Balladen wie Mond oder der Titeltrack werden von dem Streichinstrument getragen und auch in den etwas laustärkeren Songs sticht das Instrument hervor, ist aber stets mindestens ein gleichberechtigtes Fundament des Bandsounds. Der erweist sich als äußerst breites musikalisches Steckenpferd: Dank des Cellos loten Sperling beide Extreme des Post-Hardcores aus, neben der bereits erwähnten balladesken Ader steigern sich Songs wie Baumhaus oder Laut in regelrechte Post-Hardcore-Stürme, Relikt oder Fuchur benötigen dagegen gar keinen Anlauf, um den Hörer*innen ein Brett über den Kopf zu ziehen.
Das geht leider etwas zulasten des Albumflusses, der im Verlauf der zwölf Songs zuerst stark zunimmt, in der Mitte etwas abflacht und anschließend nicht mehr ganz den großen Sog entwickelt. Obwohl Sänger Johannes Gauch in den Texten wichtige Dinge wie Depressionen, Sexismus und den titelgebenden Zweifel thematisiert, wirken diese in Kombination mit der Musik phasenweise etwas zu aufgesetzt, beispielsweise im Opener Eintagsfliege, in dem Gauch über das Künstlerland Deutschland sinniert und den Musikgeschmack der bürgerlichen Mitte kritisiert. In Relikt will die Kombination aus schnellem Rap und krachendem Post-Hardcore dagegen nicht so richtig zusammenpassen. Insgesamt geht die musikalische Vision von Sperling also zu selten wie in Tanz auf. Hier passt dagegen alles: die Einbeziehung des Cellos in den Bandsound, die Symbiose aus Sprechgesang und krachender Musik sowie die Aussage hinter dem Text. Gleiches gilt auch für den sich behutsam aufbauenden Protestsong Laut und das abschließende Schlaflied, in dem Gauch seinem Job als Altenpfleger einen musikalischen Überbau spendiert. Dem knospenden, aber phasenweise stagnierenden deutschsprachigen Post-Hardcore spendieren Sperling mit ihrem Debütalbum aber allemal einen neuen Anstrich.
Label: Uncle M
VÖ: 22.01.2021Genre: Post-Hardcore, HipHop
Vergleichbar:
Kind Kaputt – Zerfall
La Dispute – Rooms Of The HouseWertung:
10/15