Green To Gold ist nicht das Album, das man nach sieben Jahren Stille von The Antlers erwartet hätte – aber eines, das wir momentan mehr denn je gebrauchen können.
Lange war unklar, in welcher Form die Band um Peter Silberman eigentlich noch existiert, denn die Zeit, die seit dem letzten Album Familiars (2014) verstrichen ist, fühlte sich wie ein sicher geglaubtes Ende an. 2015 legten die US-Amerikaner vorerst eine Pause ein, nachdem die Tour zum Album beendet war. 2017 klang es dann nach einem endgültigen Aus, als ein Fan die Band auf Twitter fragte, wie lange ihre Auszeit noch andauern würde. Die Band antwortete darauf, dass die Pause wohl für immer bestände, löschte den Tweet aber wenig später wieder. Faktisch existierten The Antlers in ihrer ursprünglichen Form aber nicht mehr. Silberman litt seit 2014 an Hörproblemen auf dem linken Ohr, die es ihn nur schwer ermöglichten, Musik zu machen und mit der Geräuschkulisse der Großstadt New York zurechtzukommen. Silberman zog es daraufhin in das ländliche Umland und entzog sich der Umtriebigkeit Brooklyns.
Genau in diesem Setting setzt das neue Album Green To Gold ein, denn bereits das einleitende Strawflower versprüht die Wärme und Wohligkeit einer unbeschwert lauen Sommernacht. Eben jener Track war es auch, der Silberman und Schlagzeuger Michael Lerner erst den Anstoß gab, ein neues Album zu schreiben. Strawflower entstand aus einem Fragment, einer kleinen Idee, um die sich ein ganzes Gerüst spannte und aus der schließlich der erste Song nach mehreren Jahren entstand. Das Ergebnis ist ein unaufgeregter Folk-Opener, der das immer wiederkehrende musikalische Thema in den Vordergrund stellt und ganz ohne Gesang auskommt. Ein Hauptmerkmal in der Musik von The Antlers war schon immer Silbermans glasklare und fragil klingende Stimme, mit welcher er persönliche Etappen seines Lebens verarbeitete und in metaphorische Geschichten umwandelte. Dass er überhaupt nochmal auf diese Stimme zurückgreifen konnte, schien 2017 unsicher: Eines von Silbermans Stimmbändern war geschädigt, was eine Operation und anschließende Stimmtherapie zur Folge hatte.
Und obwohl die vergangenen Jahre von Rückschlägen geprägt waren, rückt Green To Gold die positiven Dinge ins warme Licht. Fernab von den turbulenten Szenen New Yorks vermitteln die Songs eine Leichtigkeit, die sich sanft in die Ohren legt – und sich direkt auf das eigene Gemüt überträgt. Jedoch merkt man dem Album schon nach den ersten Songs an, dass The Antlers nur noch als Duo aus Silberman und Lerner fungieren. Multiinstrumentalist Darby Cicci, der seit dem bis heute hochgelobten und vermutlich traurigsten Album aller Zeiten Hospice (2009) am Songwriting beteiligt war, verließ die Band innerhalb der großen Pause. Das hat auch Einfluss auf Green To Gold: Alle zehn Songs wirken minimalistischer, funktionieren aber auch in ihrer reduzierten Form. Zugrunde liegt meistens ein sanft pulsierendes Schlagzeug, um das sich wie in Wheels Roll Home oder It Is What It Is die schimmernden Gitarren flechten. Das Schlagzeug klingt dabei oft unbearbeitet und wie bei einer Demo-Aufnahme, was die Songs greifbar und sehr spürbar wirken lässt. Nur selten wird wie im Titeltrack das Tempo angezogen. Vielmehr sind die zehn Tracks eine Einladung zum Spaziergang durch die ruralen Umgebungen mit anschließendem Kaffee und einem Stück Kuchen auf der Terrasse.
Green To Gold ist die Definition von Genügsamkeit und Glückseligkeit – Dinge die in einer gegenwärtigen Pandemie zu kurz kommen. Und doch muss man Silberman seinen Respekt zollen: Mit all den Widrigkeiten und gesundheitlichen Problemen, denen er sich in den vergangenen Jahren seit Familiars stellen musste, hätte man ein wütenderes Album erwartet. Das Endergebnis ist das genaue Gegenteil: ein rundes Indie-Folk-Album mit ins Ohr gehenden Arrangements. Natürlich bedeutet das nicht, dass das Album jeglichen Tiefgang vermissen lässt. Es stellt aber zuallererst ein positives Lebensgefühl in den Vordergrund.
Label: Anti
VÖ: 26.03.2021Genre: Indie-Folk, Folk
Vergleichbar:
The Microphones – The Glow, Pt. 2
Whitley – The SubmarineWertung:
11/15