Review: Van Holzen – Aus der Ferne

Van Holzen bleiben eine zuverlässige Bank im deutschsprachigen Alternative Rock und veröffentlichen mit Aus der Ferne ein brandaktuelles Album über Selbstzweifel, Klimakatastrophen und Verschwörungsnonsens.

Der Albumtitel bezieht sich im Kontext der Platte zwar glasklar auf räumliche Entfernungen, gibt darüber hinaus aber genug Interpretationsspielraum. War den Ulmern mit ihrem zweiten Album Regen ein persönliches Stück Musik über die individuellen und doch geteilten Probleme ihrer Generationen Y und Z gelungen, weiten sie mit ihrem dritten Album aus dieser Perspektive heraus den Blick auf gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie den Kampf gegen die sich anbahnende Klimakatastrophe oder die tatsächliche Auseinandersetzung mit den Folgen von Verschwörungstheorien, was beides dem Anschein nach immer wieder auf zukünftige Tage verschoben wird. Mit den Worten Aus der Ferne lassen sich aber auch die monatelangen Lockdown-Erfahrungen beschreiben, die auch Van Holzen gänzlich ausgebremst und jüngst erst dazu geführt haben, dass das Trio seine geplante Tour für diesen Herbst in den kommenden Sommer verschieben musste.

Daran verzweifelt sind die Schwaben dem Anschein aber nach nicht, vielmehr scheinen sie noch einmal gewachsen zu sein, werden sie doch in einigen Songs explizit politisch. „Es herrscht Panik, endlich gibt es einen Grund/ Die Experten stufen es als Krise ein/ Das glaubst du nicht, siehst die Zeichen, bist es leid“ und „Ich dachte lang, wir kennen uns so gut/ Jetzt blendet mich der Schimmer eines Alu-Hut’s“ heißt es etwa in Arche. Auch in Computer adressieren Van Holzen Verschwörungstheorien. Während sich Arche eher dem Missmut hinter diesem leidigen Thema annimmt, klingt Computer mehr nach Resignation und Ratlosigkeit: „Ich will verstehen/ Warum man hasst und wahre Fakten schnell verdreht“. Weniger ambivalent thematisiert die Band den Klimawandel. Während im von einem tonnenschweren Riff getragenen Biss die blanke Wut regiert, greifen Van Holzen dieses Gefühl in Mars zwar weniger brachial auf, dem Songtext wohnt aber dieselbe Verdrossenheit bei: „Die Erde hat ihren Zweck erfüllt, als Nächstes wird der Mars vermüllt“.

Seinen Höhepunkt findet der Song in seinem interstellaren Gitarrenriff, das die im Song besungene Reise zum Mars musikalisch adäquat untermalt. Hatten Van Holzen auf Regen deutlich mit Post-Punk geflirtet, stellt Aus der Ferne nun einen Querschnitt aus dem bisherigen musikalischen Schaffen der Band dar. Gini beginnt etwa mit einem staubtrockenen Riff, für das auch die Queens Of The Stone Age Verwendung finden würden, während Schlafen mit Post-Punk-Motorik nach vorne prescht. Nagel erinnert dagegen an den Indierock der 00er-Jahre von Maximo Park, wohingegen Gras und Letztes Jahr beweisen, dass Van Holzen die ruhigen und melancholischen Töne genauso gut beherrschen.

Neben den großen Themen unserer Gesellschaft richtet Sänger Florian Kiesling aber auch den Blick auf sein Innenleben. Es geht um Versagensängste, mentale Blockaden, das Betäuben von Emotionen und das Gefühl, seinen Kopf zu verlieren. Am Ende steht jedoch die Erkenntnis „Mir geht es besser als im letzten Jahr“. Sich mit den eigenen Dämonen auseinandersetzen, für seine Werte einstehen und auf gesellschaftliche Missstände und Probleme aufmerksam machen, das sind die Messages der zwölf Songs von Aus der Ferne. Dass das Ulmer Trio diese Themen in einen mitreißenden Rock-Sound voller Ecken und Kanten integriert, ist ihnen nicht hoch genug anzurechnen und verdeutlicht, dass wir eigentlich mehr Van Holzens benötigen.

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Label: OMN
VÖ: 12.11.2021

Genre: Alternative Rock, Indierock, Post-Punk

Vergleichbar:
Heisskalt – Idylle
Fjørt – Couleur

Wertung:
13/15