Livereview: Die Nerven, Kesselhaus Wiesbaden, 19.12.2022

Besser spät als nie: Die Nerven haben fünf Wochen später als geplant ihr ausverkauftes Konzert in der hessischen Landeshauptstadt nachgeholt und einmal mehr bewiesen, warum Die Nerven zu den allerbesten Alben des Jahres gehört.

Ursprünglich datiert war die Show auf den 14. November, eine Erkältung von Gitarrist und Sänger Max Rieger hatte die Stuttgarter jedoch zur Verschiebung gezwungen. Weil sich daraus eine Lungenentzündung entwickelte, mussten Die Nerven anschließend weitere Shows verschieben und holen diese erst 2023 nach. Rieger ist nach eigener Aussage erst seit wenigen Tagen wieder gesund, ihm und seiner Band ist die Lust aufs Livespielen nach der Zwangspause zu jedem Zeitpunkt des 80-minütigen und für dieses Jahr finalen Auftritts anzumerken. Die Bühne betreten Die Nerven zur Ode an die Freude von Ludwig van Beethoven, ehe das Trio mit Europa, Ich sterbe jeden Tag in Deutschland, Keine Bewegung und Alles reguliert sich selbst mit den ersten vier Songs seines Anfang Oktober erschienenen Albums eröffnet. Die kommen live nochmal druckvoller herüber als auf der bereits fantastisch produzierten Platte. Auf der haben Die Nerven insbesondere durch ihr Zusammenspiel begeistert, passenderweise stehen die Mikrofone von Rieger und Bassist und Sänger Julian Knoth eng beieinander, sodass sich die Band auch live als Einheit präsentiert. Rieger und Knoth wechseln sich beim Gesang stets ab und lassen dabei dem jeweils anderen genug Raum zum Singen, wenden sich aber auch immer wieder Schlagzeuger Kevin Kuhn zu, was in einigen teils minutenlangen Jams gipfelt.

Die Nerven steht mit acht der zehn Songs heute Abend natürlich im Zentrum der Show. Während es vom Debütalbum Fluidum eine überragende Version von Der letzte Tanzende mit vorausgehendem Jam von Knoth und Kuhn, einem zweifachen Anhalten und Wiederlosbrechen und anschließendem diabolischen Geschrei von Kuhn auf die Setlist geschafft hat, sind die Alben Fun, Out und Fake mit jeweils zwei Songs vertreten. Gerade deswegen überzeugt ebenfalls mit starker Laut-Leise-Dynamik, während sich Kuhn in Barfuß durch die Scherben erstmals manisch gibt. Das gilt auch für Der Erde gleich, dessen Intro und Tempowechsel Die Nerven in die Länge ziehen. Wenn Kuhn schließlich schneller wird und dabei seine langen Haare wie besessen schüttelt, erinnert das an den zottelhaarigen Schlagzeuger Animal von der Muppet Show. Bricht der Song endlich wieder los, formiert sich einer der wildesten Moshpits des Abends. Im Anschluss wendet sich Rieger eines der wenigen Male an das Publikum, startet eine kurze Fragerunde und erzählt Anekdoten von bisherigen Auftritten in den Räumlichkeiten des Schlachthofs. Seine Band wolle so lange hier auftreten, bis man sie endlich in die Halle lasse. Veröffentlichen Die Nerven weiter so großartige Alben und geben so mitreißende Konzerte, ist dies keine Frage des Ob, sondern eine Frage des Wann.