Konzertbericht: You Me At Six + The Hunna, Köln Live Music Hall, 25.02.2023

Mit ihren kürzlich veröffentlichten Alben Truth Decay und The Hunna im Gepäck touren You Me At Six und The Hunna aktuell durch Europa. Ein starkes Line-up für Fans von britischem Alternative Rock, von denen es hierzulande einige zu geben scheint, ist das Konzert in Köln doch hochverlegt worden.

Ursprünglich sollte die Show in der 800 Menschen fassenden Essigfabrik stattfinden. Da diese aber bereits Anfang des Jahres ausverkauft ist, wird das Konzert in die Live Music Hall verlegt, in der ein paar hundert Leute mehr Platz finden. Der wird dringend benötigt, ist doch auch die größere Veranstaltungshalle bis hinten sehr gut gefüllt. Den Support Yours Truly verpassen jedoch einige, da die australische Pop-Punk-Band bereits früher auftritt, als es die Internet-Seite der Live Music Hall angibt.

Das ist äußerst schade, The Hunna preschen jedoch bereits zu Beginn ihres einstündigen Auftritts energisch über die Bühne, als würden sie alle Zuspätkommer*innen schnellstmöglich aufwärmen wollen. Frontmann Ryan Potter fordert das Publikum zudem immer wieder zum Springen auf, was eigentlich gar nicht nötig wäre, denn die Zuschauerschaft zeigt sich zur Musik des Quartetts aus Watford lautstark. Die 14 Songs starke Setlist fokussiert sich mit insgesamt acht Songs nicht nur auf das im vergangenen Herbst veröffentlichte vierte Album The Hunna, sondern lässt auch kaum Zeit zum Durchschnaufen. Eine erste Gelegenheit bietet sich erst an siebter Stelle mit dem etwas dramatischen Babe, Can I Call?, dessen Bridge das Publikum übernimmt. Apologies überzeugt wiederum trotz Midtempo mit fettem Gitarrensound, ehe Potter dem Publikum das erste Mal Liebesbekundungen macht. Für den Moshpit-Knaller I Wanna Know legt er hingegen die Gitarre weg und erklimmt zum furiosen Finale das Schlagzeug von Jack Metcalfe. Nach dem ruhigen Untouched Hearts geht Can’t Break What’s Broken mit heavy Gitarren wieder nach vorne. Mit dem balladesk beginnenden She’s Casual sowie Bonfire spielen The Hunna zum Abschluss noch ihre zwei bekanntesten Songs, zu denen sich das Publikum erneut textsicher zeigt und zwischen die Potter eine letzte herzerwärmende Ansprache packt.

Wie The Hunna treten auch You Me At Six mit einem schlichten Bühnenbild ohne Banner oder weiteren Schnickschnack auf. Beide Bands eint zudem, dass sie als auch ihre Fans keine Anlaufzeit benötigen. So tanzt Sänger Josh Franceschi bereits beim Opener Deep Cuts ausgelassen auf und das nochmal lauter gewordene Publikum vor der Bühne. Das sorgt in Kombination mit einem drückenden Livesound dafür, dass selbst mittelklassige You-Me-At-Six-Songs wie Straight To My Head oder Heartless live viel besser funktionieren als auf Platte. Nach dem ersten Konzertviertel fordert Franceschi für die folgenden drei Songs Bite My Tongue, What’s It Like und No Future? Yeah Right einen Moshpit, was das Publikum auch erfüllt. Den im Original von Bring-Me-The-Horizon-Frontmann Oliver Sykes geschrienen Part vor dem Breakdown in Bite My Tongue meistert Franceschi selbst, während bei No Future? Yeah Right Enter-Shikari-Frontmann Rou Reynolds immerhin vom Band zu hören ist.

Give nimmt anschließend das Tempo heraus, während Franceschi teilweise vom Saal überstimmt wird. Stay With Me und Mixed Emotions (I Didn’t Know How to Tell You What I Was Going Through) ziehen das Tempo danach wieder an, bevor Franceschi in der Bridge von God Bless The 90’s Kids einen Circlepit initiiert. Zur Ballade Take On The World wird die Live Music Hall schließlich von zahlreichen Handylichtern erleuchtet, ehe You Me At Six erstmals die Bühne verlassen. Mit dem von einem Beat angetriebenen Suckapunch kehrt das Quintett kurze Zeit später wieder auf die Bühne zurück. Während Franceschi hier das Publikum dazu animiert, sich hinzusetzen und kollektiv wieder aufzuspringen, merkt man ihm beim folgenden Underdog etwas die Müdigkeit vom ältesten Song an diesem Abend an. Weil nahezu die gesamte Live Music Hall den Song 13 Jahre nach Erscheinen noch immer inbrünstig mitsingt, fällt das aber kaum ins Gewicht. Am Ende von Reckless wechseln You Me At Six kurz zu When You Were Young von The Killers, ehe Beautiful Way den perfekt ausgewählten Zugabenblock beschließt. „We’re fucked up in a beautiful way“ heißt es im Refrain des Songs, was diesen Konzertabend in gewisser Weise zusammenfasst. Der 75-minütige Auftritt ist nicht nur das erste eigene Konzert von You Me At Six seit 2019 in Deutschland, sondern für Franceschi nach eigener Aussage eines der fünf besten Konzerte ihrer Karriere. Auch wenn das vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist, erleben You Me At Six aktuell definitiv ihren zweiten Frühling und es ist schön zu sehen, dass die Band, die jedes Mal ihr Herz auf der Bühne lässt, mittlerweile auch in anderen Ländern als ihrer Heimat die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.