Konzertbericht: Kraftklub + Blond, Wiesbaden Schlachthof Open Air, 11.08.2023

Drei Wochen nach Start der Open-Air-Saison des Wiesbadener Schlachthofs haben Kraftklub ein fulminantes Finale abgeliefert und einmal mehr bewiesen, dass ihnen in Sachen Live-Qualität kaum eine andere deutsche Rockband das Wasser reichen kann.

Bevor jedoch die Band aus Chemnitz die Bühne im Kulturpark in der hessischen Landeshauptstadt erklimmt, betritt diese zunächst Frontmann Felix Brummer, um den heutigen Support anzukündigen. Für das erkrankte Duo Die Tränen springen spontan Blond um Brummers Schwestern Nina (Gesang und Gitarre) und Lotta (Gesang und Schlagzeug) ein. Das Trio habe nach eigener Aussage immer seine Backline dabei, um für alles bereit zu sein und konnte sich so direkt vom Badesee auf den Weg nach Wiesbaden machen. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage lässt sich nur schwer überprüfen, außer Zweifel steht dagegen, dass Blond Die Tränen bestmöglich vertreten. Das machen sie mit dem über den Sommer erprobten Bühnenbild aus blauem Banner und Plüschfetzen. Die passenden Plüschoutfits legen die Schwestern nach dem Opener Durch die Nacht und den anschließenden Aufwärmübungen ab. Mit türkisfarbenen Kleidern geht es mit Ich sage ja weiter, ehe Oberkörperfrei zu dickem Beat und Sprechgesang den ersten Moshpit des Abends evoziert. Zwischen Toxic und Du musst dich nicht schämen heizen Blond das Publikum gut ein, bevor sie ihr halbstündiges Set mit Männer beenden. Schade, dass ihre Setlist wie beim Auftritt bei der diesjährigen Ausgabe von Rock am Ring ausschließlich aus Songs des zweiten Albums Perlen (im April erschienen) besteht, andererseits hat Felix Brummer Recht damit, dass sie mit dieser Platte ihrem Status als Support-Band entwachsen sind. Nicht nur qualitativ, sondern auch was die Größe der Venues ihrer im Winter anstehenden Tour betrifft.

Eine solche haben Kraftklub im vergangenen Jahr gespielt und wer diese oder eine der Festivalshows des Quintetts in diesem Sommer besucht hat, weiß bereits, was einen zu Beginn der Show erwartet: das hinter einem großen roten Vorhang gespielte Intro des Kargo-Closers In meinem Kopf, ehe sich dieser öffnet, Kraftklub die Riffzündung starten und Tausende zusammen durchdrehen. Bei der heute ausverkauften Show im Kulturpark hinter dem Schlachthof sind es genau 10.000. Diese Dimension scheint Felix Brummer die gesamten zwei Stunden über zu beschäftigen. Nicht nur einmal kommt er darauf zu sprechen, dass er vor etwas mehr als zehn Jahren in der mittlerweile abgerissenen und als Kesselhaus neu erbauten Räucherkammer zum ersten Mal mit seiner Band in den Räumlichkeiten des Schlachthofs aufgetreten ist. Der Schlachthof-Halle mit einer Kapazität von etwas mehr als 2.000 Besucher*innen sind Kraftklub ebenfalls schon länger entwachsen, ihre Bodenständigkeit haben sich die Sachsen aber bis heute bewahrt.

An anderer Stelle – bevor Kraftklub ihren heute noch immer aktuellen Protestsong Schüsse in die Luft spielen – erklingen die auf einem Kraftklub-Konzert mittlerweile obligatorischen „Nazis raus“-Rufe, was Brummer zum Anlass nimmt, zu betonen, dass Rassismus, Faschismus und Homophobie bei ihren Shows nicht geduldet werden. Nach dem Song heißt es aus der Menge wiederum „Alerta, alerta, antifascista!“ Nachdem Brummer dazu zunächst leicht tänzelt, thematisiert er die nicht gerade als Randmeinung vertretene Auffassung, Linksextremismus sei genauso schlimm wie Rechtsextremismus, und entlarvt diese mit der Feststellung, dass es ohne die Antifa in ihrer Heimat keine alternativen Konzertlocations gegeben hätte. Doch Kraftklub spielen natürlich auch Songs und davon nicht zu wenige. Im Anschluss an In meinem Kopf geht es wie bereits im Winter mit Fahr mit mir (4×4) weiter, ehe zu Unsere Fans erstmals Luftschlangen in den Himmel gefeuert werden, von denen jedoch ein Großteil auf dem Bühnendach hängen bleibt.

Zum Ende des ersten Konzertdrittels packen Kraftklub ihr bekanntes Glücksrad aus, an dem heute ein schüchterner Junge drehen darf. Die Wahl fällt auf den In Schwarz-Klassiker Alles wegen dir. Zu So schön kehren noch einmal Blond auf die Bühne zurück, um ihren Feature-Part zu performen und bei Eure Mädchen wird Konfetti durch die Luft gewirbelt, das später bei Randale vom Publikum aufgehoben und erneut in die Höhe katapultiert wird. Nach der Hälfte des Konzertes begeben sich Kraftklub in die Mitte des ersten Wellenbrechers und spielen umgeben von Handylichtern akustische Versionen von Kein Liebeslied und Bei dir (von Brummers Soloprojekt Kummer). Danach kehren 3/5 der Band auf die Bühne zurück, Brummer und sein Bruder und Bassist Till Brummer stellen sich dagegen in der Menge auf ein gebrachtes Bühnencase und rappen 500K, ehe sie von dort zurück zur Bühne Crowdsurfen. Nachdem zu Randale Regenbogenfahnen geschwenkt werden, beenden Kraftklub mit den Zugaben Blaues Licht, Ein Song reicht und Songs für Liam ihr 23 Songs starkes Konzert – natürlich unter erneutem Einsatz der Konfettikanonen. Für die Menschen, die bereits ein Konzert der Kargo-Tour besucht hatten, bieten Kraftklub wenig bis nichts Neues. Doch bei welcher größeren Band hat man das im gleichen Albumzyklus schon? Routiniert bedeutet nicht gleich schlecht, vor allem, weil die von Kraftklub verkörperten Werte nicht oft genug betont werden können, ihre Musik (auch der Großteil der neuen Songs) zeitlos ist und sie es schaffen, bei jedem ihrer Auftritte ein unglaubliches Energielevel auf als auch vor der Bühne hervorzurufen.

© Fotos von Valentin Krach