Review: Captain Planet – Come On, Cat

Das große Aufbäumen ist vorbei: Ihre Meisterwerke haben Captain Planet längst in der Tasche, auf ihrem fünften Album konzentrieren sie sich darauf, allen aufzuhelfen, die auf dem Boden liegen.

Die bittere Pille zuerst: Vermutlich werden die fünf nie wieder einen Übersong wie Pyro schreiben. Das geht in Ordnung, auch weil sonst alles beim Alten ist. Und das ist bei einer Lieblingsband von Leuten, deren Lieblingsbands Turbostaat, Duesenjaeger und Escapado heißen, eine gute Nachricht. Obwohl sich Captain Planet mit Alben wie Inselwissen (2009) und Treibeis (2012) raus aus den AZ’s und rein in die kleinen und mittelgroßen Clubs gespielt haben, hat sich an ihren musikalischen Grundpfeilern seit der Unterm Pflaster der Strand-EP (2005)wenig verändert: Stürmischer Emo-Punk von und für Menschen, die tagein, tagaus damit beschäftigt sind, sich die Zweifel aus den Augen zu reiben. Come On, Cat verschreibt sich dem voll und ganz, mit dem einzigen Unterschied, dass die deprimierende Bestandsaufnahme nicht mehr reicht, ein Ausweg muss her. Auch wenn in Halley der einzige Ausweg Aushalten scheint: „Für alle, die sich auch nicht mehr ertragen, dann hey/ Wir alle sind doch angezählt seit Jahren/ Bis Halley wiederkommt, warten“. Das ist toll, weil es vertraut klingt und sich Jan Arne von Twistern nasal herausgepresste Zeilen wie das Schulterklopfen eines alten Freundes anfühlt. Da ist es egal, dass die Gitarren schon mal zackiger und die Gefühlsausbrüche emotionaler klangen. Denn zur Wahrheit gehört, dass Captain Planet auch nach zwanzig Jahren die richtigen Songs zur Bewältigung der kleinen und großen Krisen im Gepäck haben. Auf Come On, Cat heißen diese Neujahr, Nur Verlierer oder Tuffi – mit letzterem verarbeiten sie den Tod eines 2015 verstorbenen Freundes.

Das Nest, aus dem wir kommen/ kein Ort, an den wir glauben“ heißt es dort und ist ein exzellentes Beispiel für die Fähigkeit der Band individuelle Schicksalsschläge in Kollektivität umzuwandeln, frei nach dem Motto: Wenn schon auf dem Boden liegen und zittern, dann doch wenigstens zusammen. In jedem „ich“ steckt auch ein „wir“ und in jeder persönlichen Alltagsbeobachtung die Hoffnung, dass Gemeinschaftsgefühl auch bei Nicht-Arschlöchern funktioniert. Da passt es, dass Neujahr trotz der 1000 Möglichkeiten, den Kopf hängen zu lassen, Optimismus an erster Stelle schiebt: „Du bist der Welt um Meilen voraus/Lachst sie an und trickst sie aus/ Du verstreust dich überall.“ Der Vorwurf, der Gestus des „nicht klar mehr kommen mit der Welt“ sei pubertäre Realitätsverweigerung ist so alt wie Captain Planet selbst und ignoriert, dass hakenschlagende Emo-Hits wie Am Wald oder Drinnen/Draußen die Realität für viele Menschen abbildet, anstatt sich ihr zu verweigern: Dann ist alles, was wir sind/ Drinnen und draußen/ Das Schweigen eine meterdicke Wand/ Zwischen uns“. Teenage Angst kennt keine Altersbeschränkung.

Label: Zeitstrafe
VÖ: 08.09.2023

Genre: Emo, Punkrock

Vergleichbar:
Matula – Auf allen Festen
Duesenjaeger – Treibsand

Wertung:
12/15