Auf ihrem zweiten Album in neuer Besetzung tauchen die Norweger tief in lokale Sagen ihres Heimatlandes ab.
Das kommt nicht von ungefähr: Gitarrist Ivar Landa hat Geschichte studiert und bereits auf dem Vorgänger Splid, 2020 das erste Album mit Ivar Nikolaisen als Sänger und Håvard Takle Ohr als Schlagzeuger, hatten Kvelertak erstmals den großen Zeh in den mythologischen Teich ihrer Heimatregion gehalten. In den springt das Sextett aus Stavanger auf seinem fünften Album nun mit dem ganzen Körper. Die Single Skoggangr („in den Wald gehen“) handelt etwa von Helmut von Botnlaus, dessen Lebensgeschichte und schriftliche Aufzeichnungen viele der Songtexte von Endling inspiriert haben sollen. Von Botnlaus stammt aus der gleichen Gegend wie Sänger Nikolaisen, der Heidelandschaft und Bergregion an der Südwestküste Norwegens. Dort hat er in Abgeschiedenheit gelebt und gegen all die gekämpft, die versucht haben, die umliegende Natur zu zerstören.
Fabelwesen spielen auf Endling keine Rolle, stattdessen müsste man sich in die alten Archive Norwegens begeben, um auf die Geschichten zu stoßen, die Kvelertak hier erzählen. Oder man greift zum englischen Beipackzettel, den die Band dem Album beigelegt hat. Der ist auch bitter nötig, denn nach ersten englischen Ausflügen auf Splid sind die Texte der zehn Songs des Nachfolgers wieder ausschließlich in norwegischer Sprache gehalten. Die Verbundenheit zu ihrer Heimat spiegelt sich zudem in einem weiteren Aspekt wider: weil Kvelertak aufgrund der Pandemie nicht in die USA reisen konnten, wurde Endling nicht von Converge-Gitarrist Kurt Ballou produziert, sondern von den drei norwegischen Produzenten Jørgen Træen, Yngve Sætre und Iver Sandøy, mit denen sich Kvelertak für die Albumaufnahmen drei Wochen lang in einem Haus in Bergen eingeschlossen haben.
Dort haben Kvelertak die Platte live aufgenommen, um das Album natürlicher, aber auch „wilder“ klingen zu lassen. Das Endergebnis klingt tatsächlich etwas roher, als man es von sonstigen Metal- und Hardrock-Alben dieser Größenordnung gewohnt ist und passt damit perfekt zum Geschichtenerzähleransatz der Platte. Bis die Skandinavier damit beginnen, vergehen im Opener Krøterveg Te Helvete ganze vier Minuten, in denen Kvelertak den Song behutsam aufbauen, ehe die insgesamt drei Gitarristen das Heft in die Hand nehmen und mit dem einsetzenden galligen Gesang von Nikolaisen den Song über die Startrampe bugsieren. Hier ist nahezu alles da, was diese Band seit mittlerweile 13 Jahren auszeichnet: die Classic-Rock-Gitarren, die immer wieder ins Metallische abdriften, die insbesondere von Nikolaisen verkörperte Hardcore-Punk-Energie und der mehrstimmige Gesang im Refrain, den Kvelertak kein einziges Mal wiederholen und der sich dennoch festsetzt.
Die noch fehlenden Black-Metal-Blastbeats und Tremolo-Gitarren blitzen dagegen im folgenden Fedrekult („Federkult“) immer wieder auf, das trotz fehlenden Refrains dank eingängiger Riffs ebenfalls im Ohr bleibt. Obwohl die Hitdichte vergangener Alben nicht erreicht wird, gerät Endling für Kvelertak-Verhältnisse teilweise extrem poppig. Motsols fasst die Essenz der Band etwa in nur drei Minuten zusammen, während der Titeltrackzwischen mehrstimmigen Gitarrensoli und einem zugänglichen Ohrwurmrefrain changiert. Dazwischen ballert Døgeniktens Kvad in Black-Metal-Manier los, ehe nach 25 Sekunden ein Banjo (!) einsetzt, das weitere 25 Sekunden später von dicken Riffs zermalmt wird. Die Banjo-Melodie greift später im Song eine der drei Gitarren wieder auf, ehe sich Kvelertak regelrecht in einen Riff-Rausch spielen.
Skoggangr gelingt das Kunststück, im Refrain instrumental Corpsepaint aufzutragen, aber gleichzeitig zur großen Geste anzusetzen. Das punkige Paranoia 297 klingt hinten raus wie The Hives mit Metal-Kante, während Svart September im Intro sogar zur Akustikgitarre greift. Sitzfleisch benötigt man dagegen, wenn Kvelertak nach neun höchst abwechslungsreichen und mitunter fordernden Songs noch das fast achtminütige Morild ans Ende setzen. Das gerät nach kurzem Durchschnaufen mit mehrstimmigem Gesang und einer sich in Ekstase spielenden Band jedoch so fulminant, wie es solch ein Koloss von einem Album verdient hat.
Label: Rise
VÖ: 08.09.2023
Genre: Heavy Metal, Hardcore-Punk
Vergleichbar:
Mastodon – Hushed And Grim
The Good The Bad And The Zugly – Research And Destroy
Wertung:
13/15