CD Review: Architects – All Our Gods Have Abandoned Us

Es ist wohl schon längst kein Geheimnis mehr, welch großen Einfluss Architects bereits auf die Szene gehabt haben. Mit ihrem neuen Album, „All Our Gods have Abandoned Us“, begeben sich die Briten auf eine Reise, um ihren Ruf als Fels in der Brandung des Metalcore zu festigen.

So langsam ist es nun wirklich langweilig geworden, Alben mit langen Einleitungen zu übersättigen. Das dachten sich womöglich auch Sam Carter und co. beim Schreiben des Opener Tracks „Nihilist“: Ein wütender Schrei penetriert ohne Vorwarnung die Kopfhörer, ehe das Werk in einem wilden Moshfest bestehend aus Blastbeats, sextolischen Riffeinlagen als auch grandiosen Melodien ausartet. Hierbei fällt auf, dass der Einsatz von Elektronik wesentlich nuancierter wirkt als auf Vorgänger „Lost Forever // Lost Together“. In etwa so, als hätte man noch eins drauf setzen wollen. Das Experiment gelingt: zum ersten Mal wirken die synthetischen Arrangements nicht nur wie Lückenfüller inmitten eines sonst so brachialen Klangbilds, sondern ergänzen den Gesamtklang um eine bitter flehende, sanfte Seite.

Dies lässt sich auch bezüglich der Texte sagen, die das Album mit sich bringt. Noch mehr als zuvor thematisieren Architects Probleme, die naher am Zahn der Zeit nicht sein könnten. Eins sei jedoch klargestellt: Die Götter, von denen die Rede ist, sind keineswegs die, die man sich vorstellt. „Im Albumtitel geht es um die Vorstellung von Göttern als eine Art Sicherheitsnetz, das uns dabei hilft, bessere Menschen zu sein. Das ist verschwunden“, so Carter. Folglich werden in gängiger Manier Politik, Umweltprobleme als auch Kapitalismus ins Fadenkreuz genommen. Doch was Architects von vielen Mitstreitern unterscheidet ist die große Bereitschaft, wirklich etwas zu verändern. Man muss sich nur die Organisation Sea Shepherd anschauen um zu begreifen, dass den Jungs ihre Texte mehr bedeuten als Erfolg und ein gutes Image.

„This is a wake up call“

Die zwingend notwendigen „Bleghs“ des Frontmanns Sam Carters als auch eng verstricktes, Mathcore-ähnliches Riffing durchziehen grundsätzlich das Gesamtwerk der Band, was sich auch auf dieser LP in Liedern wie dem brachialen „A Match Made In Heaven“ fortsetzt. Lieder wie „From the Wilderness“ können durch ihre typisch eingängigen Hooks überzeugen, die der Sänger live wie auch im Studio zu naher Perfektion abliefert. Eine neue Facette bildet jedoch der nun noch integralere Einsatz von elektronischen Komponenten, was im finalen, 8-minütigen „Memento Mori“ gipfelt. Was sich oberflächlich gesehen wie eine Offenbarung zur Zeit des Barock verstehen lässt, transformiert sich schnell zum bedeutendsten Lied der CD – und vielleicht unserer Generation. Geradezu zerbrechlich schwebt Carters Stimme über einem von Noise beeinflussten, defekten Synthesizer, während dem Zuhörer keine Wahl bleibt, als Gänsehaut zu bekommen. Das Ende ist nah, und Musik hat es neuerdings selten so gut darstellen können: Das Ticken einer Uhr, die bald stehen bleibt, sei nur ein Grund, um beim Klang dieses Abschlussliedes in Ehrfurcht zu geraten. Die hinzukommende orchestrale Wucht bringt nachträglich Emotionen hervor, die irgendwo zwischen Wehmut, Angst und Kampfgeist schwimmen – ein wunderbares Gefühl.

Zusammenfassend kann man nun sagen, dass das neueste Werk der Briten der Gesellschaft einen Spiegel vorhält und signalisiert, dass es so nicht weitergehen kann. Die thematisierten Probleme dürfen nicht zum akzeptierten Alltag werden. Und trotz des sehr negativen Titels scheint ein minimaler Hoffnungsschimmer durch: Es kann besser werden, wenn man jetzt etwas tut. Für die Fans der alten Tage dürfte dieses Album zwar wenige Überraschungen bieten, ist aber dennoch eine solide Darstellung des Stellenwerts der Band in der heutigen Szene. Was nach erstmaligem Hören möglicherweise nach einem großen Potpourri an Riffs und Screams klingt, wird mit zunehmender Zeit zu einer eigenen Kunstform – Architects haben ihre eigene Richtung gefunden und sind aus der Musikwelt nicht mehr wegzudenken. Ihre allseits bekannte Stärke als Live Band dürfte hierbei weiterhelfen, um die wichtigen Botschaften noch deutlicher zu überliefern.