Nachdem die beiden stark unterschiedlichen Songs „Hoodwinker“ und „Supercharge“ der Welt gezeigt wurden, schlagen Enter Shikari auf ihrem neuesten Werk erneut einen komplett anderen Weg ein und schreiben das persönlichste und schwierigste Album ihrer Karriere.
Die Reise beginnt mit einem instrumentalen Intro, und regt erstmal zum Grübeln an: Wählte man zuvor dreimal einen ähnlichen Einstieg und zuletzt noch eine motivierende Rede, so fungiert „The Spark“ eher als Anhäufung zarter Klänge, die nur dort sind, um „The Sights“ einzuläuten. Letzteres Lied ist eine ehrliche Popbombe, die mit einer gigantischen Melodie im Refrain wie für Stadien zu geschaffen scheint. Enter Shikari sind motiviert, den öden Mainstream von der Spitze zu treiben und sich selbst auf dem Thron breit zu machen. Dass das funktionieren kann sah man zuletzt bei Bring Me The Horizon, die aber lyrisch nicht an Rou Reynolds herankommen können. Das Album beinhaltet dieses Mal neben der sonst stark politischen Komponente einen großen Anteil an emotionalen Themen wie Depressionen, Angstzustände oder auch Panikattacken. Ironischerweise werden diese Worte in chartwürdige Melodien verpackt, sodass das Ganze dann gar nicht mehr so schlimm klingt. Man kommt schon irgendwie zurecht, the show must go on.
Nicht nur textlich zeigt der Frontmann auf diesem Album, was er kann. Es sind mehr Rap-Parts vorhanden wie bei dem vom Grime inspirierten „Rabble Rouser“, das Queen-Falsetto wird zur Schau gestellt („Live Outside“) und in ruhigeren Momenten wirkt der Sänger sogar so zerbrechlich und am Boden zerstört, sodass man dem Mann mal eine Umarmung und eine warme Decke spendieren möchte („Airfield“ und „An Ode To Lost Jigsaw Pieces“). Einen klaren Höhepunkt der CD bildet das furiose „Take My Country Back“. In treibender Punkrockmanier tobt die Band instrumental umher, während Reynolds seine Zeilen wie Galle ausspuckt und sich hier gezielt gegen die neue Welle an rechtsdenkenden Menschen ausspricht.
Ein anderer Punkt ist außerdem die Produktion des Albums, die dieses Mal nicht von Dan Weller sondern David Kosten übernommen wurde. Die brachialen Gitarrensounds weichen hier dezenter Begleitung, als würde Gitarrist Rory C wie im Orchester auf seinen Einsatz warten müssen. Dafür wummern die Subbässe mehr und einerseits verscheucht das jegliche Ideen, diese Lieder könnten live Randale kreieren; zugleich wirken aber alle Melodien fast zwangsneurotisch perfekt an Ort und Stelle zusammengelagert. Die etwas künstliche Route, mit der sich die Jungs in den Pop einschleichen, braucht ein paar Hördurchgänge, führt aber am Ende doch zu etwas Besonderem. Die Synthesizer wurden für „The Spark“ gehörig in den Vordergrund geschoben, teilweise sind statt Bassgitarre auch nur Keyboards zu hören. Es scheint, als hätten Enter Shikari ihre harte Facette (zumindest für diese CD) in der Vergangenheit gelassen. Besonders fragwürdig sind solche Momente wie der Anfang von „Shinrin-Yoku“: Trompeten + Ukulele + Entspannungslyrik. Bis das ganze so richtig mit Gitarrenwucht und partiellen Screams ausbricht wirkt der Song leider orientierungslos und hinterlässt einen faden Beigeschmack, ja das Lied könnte genau so auch auf dem Wetterkanal im Fernsehen laufen. Wer also nach dem brutalsten Breakdown sucht, sollte sich auf „The Spark“ eher nicht umschauen.
Wenn man über diesen Ausrutscher hinwegsieht, eröffnen sich dem Zuhörer aber spaßige Hörerlebnisse. „Rabble Rouser“ tanzt einem mit Buildups, die in synthetischen Dancefloorbeats resultieren, gehörig auf der Nase herum, „The Revolt of the Atoms“ verwandelt sich von einer groovigen Elektrojazznummer mit Sprechgesang zu dem ultimativen Lied, bei dem man die Anlage aufreißen muss. Und obwohl das Album mit „An Ode to Lost Jigsaw Pieces“ auf sehr bedrückende Art und Weise sein Ende findet, so bleibt am Schluss noch ein Hoffnungsschimmer da: Enter Shikari können in jeder Musikrichtung existieren und man findet es früher oder später eh klasse. Polarisieren tut das neue Material nur noch die Hater, aber diese werden an der kommenden Spielzeit im Radio nichts ändern können.
Insgesamt ist „The Spark“ mit keinem der vorherigen Alben zu vergleichen. Es wirkt tatsächlich so, als hätte das Quartett einmal den Reset Knopf gedrückt, so wie sie es durch das Löschen all ihrer Bilder auf Instagram angedeutet hatten. Das Album wird definitiv eine neue Fanbase an Land ziehen, und durch ihre phänomenalen Live Auftritte wird die Band auch Freunde ihrer älteren Musik begeistern können. Ob die Band gerade nur experimentiert oder auf der nächsten CD zu einem härteren Sound zurückkehrt, kann man nicht vorhersagen. Aber genau darin liegt eben auch die Magie von Enter Shikari und solange der Zuhörer herausgefordert wird, macht die Band alles richtig.