PascowSieben

Hermes Phettberg, Daniel Johnston und Wall-E: Ungewöhnliche Referenzen für eine Punkband, gewöhnlich für Pascow, die noch nie eine gewöhnliche Punkband waren. Auf Sieben formulieren Pascow ihre Botschaften so deutlich wie nie.

„Du wurdest nie das, was du wolltest/Aber das, was du jetzt bist/Und kein Team der Welt/Hast du jemals vermisst/Deine Liebeslieder/Kriegt das Radio nie/Du hast ein Leben, das stinkt/Und ein Herz…größer als Wien“ singt Alex Thomé in Daniel & Hermes über den verstorbenen Indie-Singer/Songwriter Daniel Johnston, und baut der nächsten Außenseiter-Figur ein musikgewordenes Denkmal. Die mögen sie, die Außenseiter, die am Rand stehenden, die Kaputten, die nicht ins System passenden, und schreiben ihnen Hymne für Hymne auf den Leib, auf Sieben nochmals mehr als auf den vorherigen sechs Alben. Tom Blankenship, der reale Nachbar von Mark Twain, der ihn als Vorbild für die Figur des Huckleberry Finn diente, oder vielmehr eine moderne Version davon, wird genauso besungen wie die „Königin im Ritzen“ in Königreiche im Winter. Wie eine Stadt aussehen könnte, die von diesen Helden*innen nichts wissen möchte, nämlich „öde wie ein Mond“, davon handelt der dritte Song Mond. Anders Gottes Werk & Teufels Beitrag, ein Abgesang auf die Menschheit, die trotz der nötigen Informationslage nichts unternimmt gegen den Klimawandel und Artensterben,  und stattdessen lieber „Rattenfängermenschen“ wie Chrupalla, Gauland und Höcke hinterherläuft. Sieben führt die bereits im Zuge der Vorgängerplatte Jade (2019) ausgerufene Abkehr von „kryptischer Scheisse“ und Codierung weiter – ein Titel wie 14 Colakracher auf Diene der Party (2014) undenkbar, das Skandieren von „Fick die Elite“ womöglich auch. Diene der Party war die logische Konsequenz aus den vorherigen Alben, der Anfang vom Ende der mit Metaphern gespickten Texte, trennt die Banddiskografie aber auch in eine Zeit vor und danach, so, das macht Sieben einmal mehr deutlich, wie auf Alles muss kaputt sein (2010) können und wollen Pascow nicht mehr klingen.

Im Gegensatz zu Jade sind die Songs schnörkellos und auf den Punkt, keine Klavierballade wie Wunderkind, nur eine Geige in Mailand, das zu gedoppelten Metal-Gitarren und Background-Chor mit weiblicher Unterstützung vom Börsencrash und „den letzten Anarchisten dieser Stadt“ träumt. Unverkennbar Pascow, aber eben mit neuen Nuancen: Die neuen Songs profitieren davon, dass auf mehreren Songs weibliche Gastsängerinnen zu hören sind, etwa Nadine Nevermore von der Streetpunk-Band NTÄ, die Trierer Sängerin Hanna Landwehr oder Apokalypse Vega von Acht Eimer Hühnerherzen, die in Königreiche im Winter eine komplette Strophe bekommt. Daniel & Hermes ist einer dieser typischen Pascow-Hits, Von unten nichts neues ein atemloser Punkrock-Smasher mit Hardcore-Gangshouts und so giftig wie in Ich bin klar klang Thomé selten. Die Unmittelbarkeit der Songs verschleiert, dass sie vier Wochen, so lange wie noch nie, mit Michel Wern und Kurt Ebelhäuser, in dessen Tonstudio 45 in der Nähe von Koblenz gearbeitet haben. So gut die Platte auch klingt, so stark die Songs auch sind, der eigentliche Verdienst von Pascow ist es, dass in ihren Songs die Lebensrealität von Menschen am Rand, am Existenzminimum eingefangen und formuliert wird, und das ohne doppelten Boden und Deutungsspielräumen, also nicht über, sondern für sie gesungen wird: „Mir geht’s nicht wie in deinen Geschichten/Sonst wäre hier alles irre leicht/Keine Ahnung, was als nächstes/Und ob mir dann das Geld noch reicht.“

Label: Rookie/Kidnap/Indigo
VÖ: 27.01.2023

Genre: Punkrock

Vergleichbar:
Duesenjaeger – Treibsand
Turbostaat – Uthlande

Wertung: 12/15