Review: Heisskalt – Idylle

Ohne Label, ohne Vertrieb und ohne Promo-Phase im Vorfeld: Heisskalt nehmen mit ihrem dritten Album “Idylle“ alles selbst in die Hand. Das Ergebnis ist ein roher, minimalistischer und schwer konsumierbarer Brocken.

Als Gründungsmitglied und Bassist Lucas Mayer die Band im Sommer 2016 verlässt, bricht für das Stuttgarter Kollektiv eine kleine Welt zusammen. Bis zum Ende des vergangenen Jahres unterstützt Musikerfreund Daniel Weber das Trio bei Liveauftritten am Bass, offiziell agieren Heisskalt nur noch als Trio. Das hat die Post-Hardcore-Band nicht nur beim Prozess zum dritten Album beibehalten – auch live agieren sie nur noch zu Dritt.

Für “Idylle“ haben sich Sänger und Gitarrist Mathias Bloech, Gitarrist und Hintergrundsänger Phil Koch und Schlagzeuger Marius Bornmann im Keller eingeschlossen und ,,keine musikalischen Einflüsse“ auf sich wirken lassen. Dass die politische und gesellschaftliche Lage den Sound und die Texte der Platte beeinflusst haben, ist allerdings nicht zu leugnen. So heißt es schon im knallenden Opener “Bürgerliche Herkunft“ – gleichzeitig die einzige Vorabveröffentlichung des Albums – ,,Ich wär so gerne frei in meinem Denken/ Doch meine bürgerliche Herkunft/ Hindert mich daran“. Das folgende “Wiederhaben“ wildert zunächst im Post-Punk und erinnert mit seinem Post-Hardcore-Exzess gen Ende an “Angst hab“ aus dem Vorgängeralbum “Vom Wissen und Wollen“. Melancholisch wird es mit dem im Midtempo gehaltenen “Tapas und Merlot“, während der Titeltrack mit zwei Basslinien trotz seiner minimalistischen und ruhigen Instrumentierung verstörerische Wirkung besitzt, wenn Bloech von der scheinbaren Idylle singt.

“Fest“ beginnt zunächst verspielt mit einem treibenden Basslauf, der später folgende Post-Hardcore-Ausbruch kündigt sich jedoch schon mit der dissonanten Gitarre in den Refrains an. Der Song endet im Rauschen und das anschließende “Du denkst ich lächle doch mich blendet die Sonne“ entfernt sich von diesem erst nach einer guten Minute und feuert ein vierminütiges Riff-Feuerwerk ab, das aufgrund des monotonen Songverlaufs nicht richtig mitreißen kann. Den größten Refrain der Platte besitzt “Wie Sterne“, das am ehesten an die früheren, melodisch-hymnischen Heisskalt erinnert. Das beschwingte Gefühl des Tracks wird im abschließenden “Herbstlied“ allerdings sofort zertreten, wenn Bloech nur begleitet von einer Akustikgitarre von Kälte, Verlust und Angst singt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat auch der Letzte verstanden, dass “Idylle“ ein Abziehbild unserer Gesellschaft und ein trügerischer Titel ist.

IDYLLE Cover 5MB

Label: Eigenvertrieb
VÖ: 23.05.2018

Genre: Post-Hardcore, Post-Punk, Noise

Vergleichbar:
Die Nerven – “Fun“
Turbostaat – “Abalonia“

Wertung: 12/15