Review: Bring Me The Horizon – amo

Die Liebe – oder zumindest alles, was mit Beziehungen in irgendeiner Form zu tun hat – ist ein omnipräsentes Thema in der Musik. Dennoch haben es sich Bring Me The Horizon zur Aufgabe gemacht, die Gefühlswelt von Oliver Sykes auf „amo“ (zu Deutsch: Liebe, Munition, Meister) detailreich auszuführen. Wieso das neueste Werk der Band ihr mit Abstand merkwürdigstes ist, erfahrt ihr hier.

Den Anfang bildet ein Doppelpack aus dem Quasi-Intro „i apologise if you feel something“ und der bereits bekannten, gitarrenlastigen Single „MANTRA“. Ersterer Song wabert mit elektronischen Bässen hin und her und wurde sogar schon zur Promotour in Deutschland als Intro ohne Gesang verwendet. Prinzipiell fungiert das Lied als langer Buildup zu „MANTRA“, welches dann umso mehr reinhaut. Verwirrt ist man jedoch direkt, wenn „nihilist blues“ mit seinen Darktechno Parts und verzerrten Gesangsparts auflauert, um dem Rockfan eine Kinnharke zu verpassen. Poppiger setzt sich das Ganze dennoch mit „in the dark“ fort, was so auch im Pop Radio Mitte der 2000er hätte laufen können. Hat man sich nach dem ersten Albumdurchlauf von der krassen Veränderung der Band erholt, kann die Produktion von Jordan Fish richtig glänzen. Trotzdem wirkt es arg gestelzt, bei einem so sanften Album ein Lied wie „wonderful life“ draufzupacken. Nicht falsch verstehen, der Song macht Spaß, aber stört den Flow im Albumkontext.

Das nächste Problem ist die Vielzahl an instrumentalen Interludes, die auf Platte einlullend und nett klingen, live aber aufgrund des Mangels an voller Bandbesetzung schlecht umsetzbar sein sollten. MC Fish schiebt die Regler in „ouch“ oder auch „fresh bruises“, während ein Paar Gesangssamples hinzugefügt werden. Ignoriert man die Tatsache, dass diese Teile des Albums auf einen anderen hinsteuern, sind diese Lieder leider Skiptracks per Definition. „medicine“ hat das Potenzial, eine der größten Singles für die Band zu sein, und spätestens zu diesem Zeitpunkt hat man sich an die weicheren musikalischen Gefilde gewöhnt. Die Komfortzone bleibt dem Zuhörer jedoch nicht gegeben: „sugar honey & ice tea“ greift Rockelemente vom Vorgängeralbum auf, und „why you gotta kick me when i’m down?“ wartet als bestes Lied erst in der zweiten Hälfte des Albums: Hier werden längst totgeglaubte Dubstep Elemente geschickt mit Trap und genialen Synthesizerflächen vereint, um einen emotionalen wie auch musikalisch überzeugenden Song zu schaffen, der trotz elektronischem Schwerpunkt Wucht besitzt. In Sachen Rock ist nur noch „heavy metal“ zu nennen. Mit einem äußerst zynischen Refrain („So I keep picking petals//All I wanna know do you love me anymore//‘Cause some kid on the ‘gram said he used to be a fan but this shit ain’t heavy metal“) darf man dieses Lied gewissermaßen als den förmlichen Abschied Bring Me The Horizons von ihrer härteren Musik sehen; der kurze Endbreakdown (inklusive Growl!) enthüllt, was die Band musikalisch hätte machen können, aber eben nicht mehr wollte. Als älterer Fan der Band darf man sich hier nicht aufregen, sondern einfach mal lachen. Denn wer jetzt noch hofft, „Suicide Season Volume Two“ wäre irgendwie noch möglich, der sollte dieses Album nicht kaufen.

Bring Me The Horizon variieren auf ihrem neuen Album zwischen elektronisch getriebenen Liedern, Instrumentalpassagen und einem Potpourri aus Pop, der mit den härteren Tönen des Albums im Konflikt steht. Es hätte dem Album gut getan, das Fett ein wenig zu trimmen und sich von den härteren Songs zu trennen. So lässt sich aber immerhin antizipieren, dass die Gruppe aus Sheffield auf ihrem nächsten Album wohl die Gitarren noch mehr reduziert, wie hier schon angedeutet. Diesen Patzer kann die schiere Weirdness mancher Lieder zum Glück retten. Wer also eine Wundertüte aus diesen Genres liebt, darf sich gerne an „amo“ bedienen. Und wer nicht, wird es hassen, ‚cause it ain’t heavy metal, but that’s alright.

Label: Sony Music
VÖ: 25.01.2019

Genre: Electropop, Rock, Alternativ

Vergleichbar:
Die Antwoord – Mount Ninji and Da Nice Time Kid
Imagine Dragons – Night visions

Wertung:
10/15