Der wilde Noise-Post-Hardcore-Mathrock von Lysistrata scheint keinen festen Songstrukturen zu folgen, das zweite Album Breathe In/Out wirkt dennoch deutlich strukturierter als der Vorgänger The Thread.
Das Debütalbum der Franzosen reihte sieben Songs in 42 Minuten aneinander, von der anderthalbminütigen Interlude bis zum knapp zwölfminütigen Albumfinale war alles dabei. Kurze und lange Songs gibt es auch auf Breathe In/Out, hier variiert die Länge allerdings zwischen knapp vier und gut neun Minuten pro Song. Die kürzeren Stücke am Anfang, die längeren am Ende – diesen Aufbau hatte auch schon The Thread, der Nachfolger konzentriert sich dagegen noch mehr auf die Stärken des Trios und spannt den Bogen der längeren Stücke nicht so weit, dass es schwerfällt, der Musik zu folgen. Nehmen wir den vorab veröffentlichten Opener Different Creatures als Beispiel: Der Song beginnt mit rohem Mathrock und mündet über eine ruhige Post-Rock-Mitte in einem ruppigen Post-Hardcore-Finale, mehrstimmigem Gesang inklusive. Auf diesen setzen Lysistrata immer wieder im Verlauf des Albums, längerer Gesang eines einzelnen Bandmitglieds ist rar gesät. Kommt dieser einmal durch, wird er wie in Against The Rain aber auch früher oder später von mehrstimmigem Gesang wieder abgelöst.
Durch den ungemein ungeraden Fluss der Musik fällt es schwer, lyrische Themen herauszuarbeiten, dass Lysistrata auch in ihren Texten auf nicht gerade viel Sonnenschein setzen, ist allerdings selbstredend, betrachtet man die Titel der neun Songs. Im ebenfalls vorab veröffentlichten Mourn kreisen viele der Songzeilen um das Wort „mourn“, spätestens hier erinnern Lysistrata an eine aufgedrehtere Version von La Dispute, die ihre Verzweiflung nicht in nach innen gekehrten Post-Hardcore, sondern in noisigen Mathrock entlädt. Einige Songs brauchen dagegen etwas Zeit, um an diesem Punkt anzukommen. End Of The Line baut sich über seine gesamten sechs Minuten auf, nur um am Schluss von polyfonen Melodien über dem aufbrausenden Post-Rock-Sturm gehalten zu werden. Es ist bewundernswert, wie selbstsicher Lysistrata ruhige und laute Pole in ihrer Musik gegeneinander aufwiegen und in Jam-Manier durch ein 51 Minuten langes Album fegen, ohne einen einzigen „richtigen“ Refrain zu platzieren. Abgeschlossen wird die Platte vom längsten Song Middle Of March, das auf lyrischer Seite nur aus einer verzerrten Rede besteht, die den ganzen Song durchzieht, während sich Lysistrata ein letztes Mal als geschlossene Einheit zeigen.
Label: Grand Hotel van Cleef
VÖ: 18.10.2019Genre: Post-Hardcore, Mathrock, Noiserock
Vergleichbar:
La Dispute – Wildlife
Die Nerven – FunWertung:
11/15