Livereview: Blackout Problems + Van Holzen, Das Bett Frankfurt, 05.11.2022

Blackout Problems und Van Holzen – mit die beste Alternative-Rock-Kombination, die Deutschland aktuell zu bieten hat. Das Ergebnis ist wenig überraschend eines der besten Konzerte des Jahres.

Dabei geht die Qualität beider Bands über das Musikalische hinaus: die Blackout Problems als auch Van Holzen machen sich auf ihren aktuellen Alben Dark und Aus der Ferne Gedanken über die Klimakrise sowie Nationalismus respektive Verschwörungserzählungen, was beide Bands zu wichtigen Stimmen für junge Generationen macht. Nachdem Van Holzen auf ihrer eigenen Tour zu Beginn des Sommers Spenden für die Hilfsorganisation Cadus gesammelt hatten, sammeln beide Bands nun Spenden für Space-Eye. Die Organisation hilft Geflüchteten aus der Ukraine mit Sach- und Geldspenden, evakuiert Menschen aus der Ukraine nach Deutschland und vermittelt Unterkünfte an die Geflüchteten. Darauf machen nicht nur die Blackout Problems während ihres Auftritts aufmerksam, sondern auch Van Holzen. Das Trio aus Ulm spielt sich in viel zu kurzen 30 Minuten durch seine bisherigen drei Alben, wovon Aus der Ferne mit gleich sechs Songs vertreten ist, während es von Regen nur den Titeltrack und vom Debütalbum Anomalie immerhin zwei Songs zu hören gibt. Einer davon ist Herr der Welt, zu dem an siebter Stelle der Moshpit eröffnet wird. Verdienter Lohn für einen wieder mal elektrifizierenden Auftritt von Van Holzen. Insbesondere Frontmann Florian Kiesling übt sich regelmäßig mit seiner Gitarre in Rockstar-Pose, während das Schlagzeug von Daniel Kotitschke so mächtig wie nie zuvor klingt.

Ursprünglich sollte die Show bereits Mitte Oktober stattfinden, eine Corona-Erkrankung ihres Sängers hatte die Blackout Problems jedoch zur Verschiebung dieser und einiger weiterer Konzerte gezwungen. Die Folgen seiner Infektion adressiert Mario Radetzky zu Beginn der Zugaben. So sei er noch immer völlig außer Puste, wenn er die Treppen zu seiner Wohnung im vierten Stock erklommen hat. Im Anschluss an die Show in der Kölner Live Music Hall eine Woche zuvor war Radetzky zudem zusammengesackt, die Sanitäter konnten ihn jedoch wieder aufrappeln. Davon bleibt er heute zum Glück verschont und überhaupt scheint ihm zu keiner Sekunde des Auftritts die Luft wegzubleiben. Ganz im Gegenteil: das Münchener Quartett betritt die Bühne umherspringend und wie elektrisch aufgeladen. Diese Energie überträgt sich schnell auf das Publikum, das beim Opener Murderer textsicher die zweite Strophe übernimmt, ehe am Ende des Songs schließlich der komplette Raum in Bewegung versetzt wird. Beim folgenden Dark wummert erstmals der Bass und gerade live geht die Kombination aus Gitarrenrock und elektronischen Elementen des jüngsten Albums hervorragend auf.

Während Dark mit zehn Songs etwas mehr als die Hälfte der Setlist ausmacht, gibt es mit How Should I Know heute immerhin einen Song der Debüt-EP Gods, während das Debütalbum Holy von Black Coffee vertreten wird, erleuchteter Regenbogenflaggen im Hintergrund inklusive. Zuvor begibt sich Radetzky für Driveby auf eine erste Tour durchs Publikum, über die Stehtische im hinteren Bereich bis auf die Verkaufsfläche der Bar und wieder zurück auf die Bühne. Während Limit spaziert er dagegen zum Front of House, House On Fire widmet er davor den für ihre Rechte kämpfenden Frauen im Iran. Als absolutes Live-Highlight entpuppt sich zuvor Darling, zu dem Radetzky plötzlich die Blumen des Covers von Dark in der Hand hält. Bevor der Song in seine instrumentale zweite Hälfte übergeht, fordert der Frontmann das Publikum dazu auf, für die folgenden Minuten jegliche Angst, jeglichen Schmerz und Frust auszublenden und den Song mit geschlossenen Augen zu genießen. Wer dem nachkommt, wird Zeuge der einzigartigen Kraft von Live-Musik.

Mit einer überarbeiteten und auf Abriss getrimmten elektronischeren Version von Kaos beenden die Blackout Problems ihren regulären Konzertteil. Die erste Zugabe Fireman widmet Radetzky seiner heute anwesenden Schwester, für die er den Song auch geschrieben hat, und die seine Band zum überhaupt erst zweiten Mal live sieht. Rome dreht anschließend das Energielevel noch einmal voll auf. Radetzky begibt sich ein letztes Mal ins Publikum, wird von einem Circlepit umkreist, legt einen Stagedive von der Bar hin und crowdsurft zurück auf die Bühne. Den dreiminütigen Song lässt die Band auf das nahezu Dreifache anschwellen, indem sie die Bridge immer wieder aufleben lässt und zum Schluss Platz für einen Moshpit für alle FLINTA* macht. Danach beendet Germany, Germany mit politischer Note famose 95 Minuten. Zuvor gibt Radetzky jedoch noch die wichtige Botschaft mit auf den Weg, auch mal etwas zu geben und nicht nur zu nehmen. Zum Beispiel mit einer Spende am Merch-Stand.

© Fotos von Valentin Krach