Konzertbericht: Beartooth + Motionless In White + Stray From The Path, Frankfurt Jahrhunderthalle, 09.03.2023

Nach einigen Festivalauftritten und vereinzelten Headline-Shows im vergangenen Sommer holen Beartooth endlich ihre ursprünglich für Februar 2022 geplante Europatour zum aktuellen Album Below nach. Wir berichten vom Tourauftakt in Frankfurt.

Dass das aus Columbus, Ohio stammende Quintett um Frontmann Caleb Shomo sowohl in Großbritannien als auch auf dem europäischen Festland mittlerweile zu einer der größten Metalcore-Bands der Gegenwart gehört, verdeutlicht das am Tag des Tourauftakts auf Instagram veröffentlichte Tourposter. Die 18 Shows sind allesamt entweder ausverkauft oder stehen kurz davor und das in den größten Locations, die die Band bislang in Europa gespielt hat. Die Jahrhunderthalle gehört mit einer Kapazität von 4.800 Besucher*innen da noch zu den kleineren Hallen, dementsprechend gut gefüllt ist sie heute aber auch.

Erfreulicherweise auch schon zum Auftakt des Abends, den Stray From The Path bestreiten. Das New Yorker Quartett hat im vergangenen September sein bereits zehntes Album Euthanasia veröffentlicht, das mit vier Songs im Fokus der Setlist steht, die von jeweils einem Song der vorherigen drei Alben aufgefüllt wird. Während beim gleich zweimal in einem Breakdown mündenden Opener Needful Things noch keine Bewegung im Publikum herrscht, wird zum folgenden May You Live Forever erstmals der Pit geöffnet, der im Verlauf des halbstündigen Auftritts immer größer wird. Live bestechen Stray From The Path nicht nur durch jede Menge Groove, ihre Musik ist auch deutlich mehr ein Amalgam aus Hard- und Metalcore als auf ihren Platten. Die richtet sich wahlweise gegen Faschisten (Goodnight Alt-Right) oder Polizisten (III). Stray From The Path wissen aber nicht nur mit ihrer Haltung zu überzeugen, sondern auch, wie man eine ganze Halle zum Springen bringt (Fortune Teller). Während Guillotine lässt sich Frontmann Drew York auf den Händen der Besucher*innen tragen, ehe die sich beim finalen First World Problem Child textsicher zeigen und der finale Breakdown die Jahrhunderthalle ein erstes Mal in Schutt und Asche legt.

Während Stray From The Path als auch Beartooth bereits im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit der Pandemie in Europa unterwegs waren, stehen Motionless In White heute zum ersten Mal seit 2019 auf einer europäischen Bühne. Neue Musik hat die 2004 gegründete, aber erst seit 2010 auf Albumlänge aktive Gothic-Metalcore-Band in Form des 2022 erschienenen Scoring The End Of The World ebenfalls dabei. Das sechste Album macht mit vier knapp die Hälfte der zehn Songs starken Setlist aus. Darunter ist mit Cyberhex auch der Opener, der direkt Geballer und einen ersten Breakdown auffährt. Das anschließende Thoughts & Prayers erinnert mit einem Bassdrum-Gewitter an Slipknot, packt vor einen knüppelharten Breakdown aber gekonnt einen eingängigen Refrain. Das balladeske Masterpiece fährt das Tempo danach erstmals herunter. Slaughterhouse funktioniert wiederum auch ohne Knocked-Loose-Schreihals Bryan Garris, auch, weil Frontmann Chris Cerulli ein saftiges „Blegh“ entweicht, bevor der Song zum Finale einen riesigen Pit spendiert bekommt und schließlich von einem brutalen Halftime-Part beendet wird. Sowohl was die Lichtshow, die Bühnenpräsenz als auch die lautstarken Reaktionen des Publikums betrifft, ist der Auftritt von Motionless In White eines Headliners würdig. Der Beginn von ihrem größten Hit Another Life wird passenderweise frenetisch bejubelt. Die einzig fragwürdige Entscheidung trifft das Quintett kurz vor Schluss, als es mit Somebody Told Me zwar ein gelungenes The-Killers-Cover spielt, dafür aber Voices komplett außen vorlässt. Schade ist zudem, dass das mit einem Feature von Shomo veröffentlichte Red, White & Boom nicht Teil der Setlist ist. Der wenn überhaupt nur minimal vorhandene Unmut legt sich jedoch bereits schon beim Finale, wenn Cerulli Rosen im Publikum verteilt.

Schnell wird die Bühne von einem weißen Vorhang verhüllt, auf dem während des Intros mit den Schatten der Bandmitglieder gespielt wird und das Logo von Beartooth aufleuchtet. Mit den ersten Tönen von Below fällt der Vorhang, der das von einem riesigen, türkisfarbenen Banner beherrschte Bühnenbild freigibt. Das Banner ist nicht das einzige türkisfarbene Element, das heute Abend den vergangenen Juli bislang als einzige Single eines möglichen neuen Albums veröffentlichten Song Riptide repräsentiert. Nachdem Shomo bereits zum Ende des zweiten Songs Devastation seinen stählernen Oberkörper freigibt, kleidet er diesen für Riptide in einen türkisfarbenen Mantel, den er am Ende des Songs über seinem Kopf kreisen lässt. Im Fokus steht heute aber klar das im Juni 2021 veröffentlichte Below, von dem Beartooth insgesamt sieben Songs spielen. Etwa Dominate, das mit einem Circlepit gehuldigt wird, ehe der gewaltige Breakdown am Ende des Songs erklingt. Das Publikum ist zudem direkt heiß und noch während des ersten Songs lassen sich die ersten Menschen auf Händen Richtung Bühne tragen.

Von dort erklingt ein größtenteils klarer Sound, der jedoch von sehr schiefem Hintergrundgesang der Instrumentalisten getrübt wird. Shomo klingt dagegen hervorragend. Der 30-Jährige versteht es zudem wie kein Zweiter, größere Menschenmassen zu animieren, was er immer wieder zwischen als auch während der Songs mit großer Freude macht. Der stets ein Bandana tragende Shomo hat sich während der vergangenen Jahre außerdem zu einem der Gesichter neuer, harter Bands entwickelt, was sich auch darin widerspiegelt, dass einige Menschen im Publikum seinen Stil kopieren. Überzeugend ist zudem die farbenfrohe Lichtshow, die es jedoch nicht schafft, zu kaschieren, dass es Beartooth trotz reichlich an das Publikum übertragener Energie nicht ganz auf eine Liga mit den Liveshows vergleichbarer Bands wie Architects, Parkway Drive oder Bring Me The Horizon schaffen. Während die Konzerte jener Bands durchdachte Konzepte inklusive Elemente wie Pyrotechnik zugrunde liegen, scheint es Beartooth eher darum zu gehen, das Energielevel möglichst hochzuhalten, denn Atempausen sind bis zu In Between, dem letzten Song vor den Zugaben, rar gesät. Dies entlarvt zudem das etwas eindimensionale Songwriting der Band, dem etwas mehr Abwechslung guttun würde. Nachdem sich Shomo mehrfach bei Stray From The Path und Motionless In White dafür bedankt, dass sie trotz der Verschiebung nicht von der Tour abgesprungen sind, folgt mit The Past Is Dead eine erste Zugabe, ehe ein Drum Solo The Last Riff einleitet, wofür sich Shomo ebenfalls eine Gitarre umhängt. Im Riffgewitter bahnt er sich zudem den Weg zum Front of House, von wo er schließlich das allerletzte Riff des Abends auf das Publikum loslässt, das einen guten Auftritt nach knapp 75 Minuten beendet.

© Fotos von Valentin Krach