Mitte Oktober haben Creeper ihr neues Album Sanguivore veröffentlicht, mitten in der Halloween-Saison an einem Freitag, der 13. Das war natürlich von langer Hand geplant, denn sowohl ihren Sound als auch ihre Ästhetik überlassen die Briten nicht dem Zufall. Warum ihr drittes Album eine Vampirplatte geworden ist, erzählt die Band im Interview.
„Normalerweise versuchen wir, alles mit Halloween zu koordinieren, denn das ist der beste Feiertag“, erklärt Gitarrist Ian Miles den Hintergrund des sozusagen vorbestimmten Veröffentlichungsdatums des dritten Creeper-Albums. „Dieses Jahr fiel ein Freitag, der 13. zufällig in den Oktober, den gruseligsten Monat von allen. Die Gelegenheit war einfach zu perfekt, um sie zu verpassen.“
Dass Sanguivore als Vampirplatte dann auch perfekt in die Halloween-Zeit passt, ist eine weitere glückliche Fügung des Schicksals. Die Idee dafür hätten Creeper schon gegen Ende des Tourzyklus‘ zum Debütalbum Eternity, In Your Arms gehabt, wie Sänger Will Gould verrät. „Wir sind alle große Horror-Nerds“, stimmt Miles zu. „Die erste Band, die Will und mich zusammengebracht hat, war The Misfits. Die Rückkehr zu dieser Seite von Creeper ist auch ein Beweis für unsere Freundschaft und unsere Wurzeln.“
Die Pioniere des Horrorpunk stehen gewissermaßen Pate für den Sound von Sanguivore. Nach dem Americana-lastigen Vorgänger Sex, Death & The Infinite Void feiern Creeper eine Wiedergeburt als Gothic-Rock-Band, die in schnelleren Songs wie Sacred Blasphemy und Chapel Gates punkigere Töne anschlägt. „Wir haben uns dieses Mal von der dunkleren Seite des musikalischen Spektrums inspirieren lassen“, erzählt Gould, der im gleichen Atemzug The Sisters Of Mercy, Type O Negative und Nick Cave als Einflüsse für den mitunter düsteren Sound des Albums nennt. „Für die punkigeren Nummern wollten wir uns an die traditionelleren Aspekte des Genres anlehnen und uns auf die Ramones, The Damned und die Misfits beziehen.“
Als weitere Einflüsse nennt Miles die frühen Danzig sowie Meat Loaf und dessen Songwriter Jim Steinman. „Das gesamte Werk von Meat Loaf und Jim Steinman hat uns während unserer gesamten Karriere stark beeinflusst. Diese Bezugspunkte sind auf diesem Album am deutlichsten zu hören, was zu 100 Prozent beabsichtigt ist. Da Jim und Meat beide innerhalb weniger Monate verstorben sind, wollten wir, dass diese Platte ein Andenken und ein Dankesschreiben an sie ist.“
Dass sich auf Sanguivore all diese verschiedenen Einflüsse organisch zu einem großen Ganzen zusammenfügen, führen Gould und Miles auch auf Produzent Tom Dalgety zurück, der nicht nur das Debütalbum von Royal Blood produziert hat, sondern für seine Arbeit an Prequelle von Ghost sogar für einen Grammy nominiert worden ist. „Tom teilt unsere obsessiven Tendenzen und sein Geschmack deckt sich perfekt mit unserem und den Einflüssen, die wir auf dieser Platte erforschen wollten“, führt Gould aus. „Als wir sein Haus, eine umgebaute Kapelle im Südwesten Großbritanniens, für eine Songwriting-Session betreten haben, fanden wir uns inmitten klassischer Horrorliteratur wieder“. Miles ergänzt: „Es war fast so, als hätten Will und ich unsere Gedanken kombiniert und in Tom unseren perfekten Songwriting-Partner und Produzenten heraufbeschworen.“
Nachdem Gould für die Entstehung von Sex, Death & The Infinite Void seinen Lebensmittelpunkt für ein halbes Jahr nach Los Angeles verlagert hatte, schaffen sich Creeper auch dieses Mal die richtige Atmosphäre, um an den Songs für ihr drittes Album zu arbeiten – diesmal aber im heimischen Southampton. „Wir haben die Musik im kältesten Winter in kerzenbeleuchteten Räumen zwischen einer Kirche und einer Kapelle geschrieben und viel Rotwein getrunken“, berichtet Gould. „Dabei haben wir uns mit Vampirliteratur umgeben und verschiedene Horrorbilder in den Raum gepinnt, um unsere Kreativität zu lenken. Kein Wunder, dass wir eine so düstere Platte gemacht haben!“
Während Sex, Death & The Infinite Void von der apokalyptischen Romanze der Charaktere Roe und Annabelle handelte, geht es auf Sanguivore um die Vampirin Mercy und den in ihre Kontrolle geratenen älteren Mann Spook, jeweils namentlich erwähnt in The Ballad Of Spook & Mercy. „Wir haben schon immer die Idee von starken weiblichen Hauptfiguren geliebt“, berichtet Gould. „Dieses Mal wollten wir die Dinge auf die nächste Stufe heben – und was ist stärker als ein weiblicher Vampir, der seinen Opfern die Kehle durchbeißt? Wir wollten unbedingt mit der Idee einer hypergewalttätigen Figur spielen, die sich selbst als unschuldig darstellt, denn das macht die Gewalt umso eindringlicher.“
Für die auf dem Album erzählte Geschichte lassen sich Creeper auch von Vampirfilmen beeinflussen, Gould bezeichnet diese sogar als größten Einfluss für das Album. Dazu zählen The Lost Boys, Near Dark, Fright Night, Bram Stoker’s Dracula sowie der schwedische Film Let The Right One In, der insbesondere den Charakter von Mercy geprägt haben soll.
Bleibt nur noch zu klären, was es denn mit diesem Albumtitel auf sich hat. Wie Gould erzählt, sollte die Platte ursprünglich European Vampires: A True Story heißen, bis Creeper das Wort Sanguivore für sich entdecken, als sie sich mit Dalgety im Studio befinden. „Wir sind auf das Wort gestoßen, als wir in seiner Bibliothek mit klassischen Horrorromanen blätterten“, erzählt der Frontmann. „Sanguivore vermittelt das exotische Gefühl, nach dem wir gesucht haben. Es ist sicher nicht das am einfachsten auszusprechende Wort, aber wir mögen die Tatsache, dass es ein wenig herausfordernd ist und man vielleicht nach der Bedeutung suchen muss.“
Gesucht und gefunden haben Creeper dagegen wieder einmal einen neuen musikalischen Stil, der die DNA der Band nach dem Emo-Punk-Debüt Eternity, In Your Arms sowie dem von Glam Rock und Americana beeinflussten Nachfolger Sex, Death & The Infinite Void aber weiterhin in sich trägt. Es scheint, als hätten Creeper nach drei Alben gerade erst angefangen, ihren musikalischen Vorlieben freien Lauf zu lassen. „Es wäre ein totaler Bärendienst für uns als Menschen und für unsere Kunst und unsere Musik, wenn wir uns einfach durch unsere Karriere schleppen und immer wieder die gleichen Stücke kreieren würden“, schließt Gould. „Wir werden unseren kreativen Weg weitergehen, auch wenn das zum Tod einer anderen Ära führt. Wenn der Weg, auf dem wir uns befinden, aber noch mehr zu bieten hat, dann soll es so sein. Wir werden sehen.“