CD Review: Biffy Clyro – Ellipsis

Rewind. Zurück. Alles auf Anfang. Eine Neugeburt steht an. Biffy Clyro erfinden sich mit ihrer breit gefächerten siebten LP neu und führen gleichzeitig nun vollends zu positiver Verwirrung unter Schubladendenkern.

Bedenkt man, wie schwer es manchen Bands fällt, nach dem dritten Album (falls dieses denn überhaupt zustande kommt) noch etwas Aussagekräftiges, Neues zu produzieren, so zählt das Trio aus Schottland wahrlich zu einer Besonderheit. Doch wohin soll es gehen mit einem siebten Album? Betrachtet man das Artwork, begegnen einem drei zusammengekrümmte Männer, die in embryonaler Stellung eine Ellipse formen – womit wir auch schon direkt zum Titel des Werks gelangt sind. Die Prävalenz der Dreifaltigkeit durchzieht nicht erst seit Kurzem die Diskographie der Alt-Rocker, im Gegenteil: Sänger Simon Neil betont immer wieder, sein musikalisches Schaffen sei als Trilogie zu betrachten. Indie mit Grunge und Progressive Einflüssen als erster Teil, Power Poprock mit Schuss Arenenflair als zweiter Teil. Doch was folgt nun?

„Record THIS?!“, tönt es binnen der ersten Sekunden des Openers „Wolves of Winter“, der zuvor veröffentlicht worden ist. Ein Satz, der auf den ersten Blick noch aus dem Kontext gerissen klingt, im Laufe der 45 Minuten aber immer mehr an Sinn gewinnt. Schließlich kennt man Biffy Clyro doch im deutschen Raum vor Allem im Mainstream dank Singles wie „Biblical“, „Black Chandelier“ oder gar „Many of Horror“. Um eins vorwegzunehmen: die Zeiten der hochpolierten Musik sind für die Band seit diesem Album Geschichte. Lärm, vertrackte Taktarten und unkonventionelle Texte dominieren das erste Lied mitsamt harter Gitarrenriffs, einem eingängigen Refrain und der gewissen Portion Biffy, die man so sehr liebt. Direkt im zweiten Song verändert sich das Klangspektrum zu einer Rockhymne ohne anbiedernden Charakter, nein: „Friends and Enemies“ mag zwar ein wenig nach Tannenbaum und Heiligabend klingen, nistet sich aber zurecht direkt als Ohrwurm in die Gehörgänge ein. Vor allem der lyrische Witz findet hier wieder seinen Platz, indem fröhliche Melodien auf gescheiterte Freundschaften treffen und man mit einem Schmunzeln zurückgelassen wird.

Eine klare Linie fährt auch das funkige „Animal Style“, welches besonders pointiert von der ausgeklügelten Produktion Rich Costleys Gebrauch macht. Einen der wenigen Durchhänger bildet das falsettolastige „Rearrange“, welches ein wenig kitschig daherkommt, aber im Kontext das Albumgeschehen auflockert. Das Ping Pong zwischen diesen als auch Songs wie „Herex“, „Flammable“, „On a Bang“ sowie dem epischen, auf der Deluxe Edition enthaltenen „In the Name of the Wee Man“ dürften Fans alter und neue Tage final vereinen. Bekanntermaßen haben die CDs der Schotten nämlich schon immer eine klare Trennung der Spreu vom Weizen vorgenommen seit “Puzzle“, da Anhänger der ersten Trilogie die Ecken und Kanten in den neueren Werken vermisst haben. Obwohl man sich nach nahezu zehn Jahren wirklich die Frage stellen muss, ob Poplieder denn so schlimm sind für Biffy Clyro, kommt das neue Album für diese Menschen wohl wie ein Segen daher. Mehr als jeher bewegt sich das Trio außerhalb ihrer Wohlfühlzone und integriert abstruse, bizarre Klänge in das Geschehen, die zum mehrfachen Hören animieren. Doch auch in ruhigen Momenten, in denen nichts außer Gitarre, Gesang und flächigen Synthesizern erklingt, wissen die Stars zu überzeugen: Im zerbrechlichen „Medicine“ ist (ob man will oder nicht) bei jedem Gänsehaut vorprogrammiert.

Während des gesamten Werks schleicht sich immer wieder die klangliche Spielerei Rich Costleys ein, der auf teils witzige, teils rührende Weise elektronische Seiten in den Sound integriert, den die Band auf den beiden Vorgängern vergeblich gesucht hat. Große Teile eines Ganzen werden zerfetzt, durch einen elektronischen Filter gejagt und wie neu ausgespuckt. Sei es eine 8-Bit Snare bei „On a Bang“, dissonantes Klavier in „Animal Style“ oder gar die Low-Fi Gitarrensounds in mehreren Liedern – Ein Biffy Clyro Album hatte noch nie so viele Facetten wie jetzt, ohne überblasen zu wirken. Lediglich der vermehrte Einsatz von „Wooh“ Chorälen im Laufe der CD sowie das fragwürdige Wolfsheulen und schrille Gepfeife in “Small Wishes“ dämpfen das ansonsten stark umstrukturierte Klangkonzept der Platte ein wenig.

Alles in Allem kann man also sagen, dass es wirklich keinen passenderen Albumtitel geben könnte: Mit Ellipsis lassen Biffy Clyro ihre Chartsicherheit im Tausch gegen musikalische Naivität vollkommen zurück und verwerfen bombastische Rockhymnen, um mit großem Erfolg etwas Neues zu kreieren. Man kann nur hoffen, dass die nächsten beiden Teile der Trilogie auch mit Hilfe von Costleys Arbeit vollzogen werden, denn die Band hat sich durch ihren Neuanfang mit einem anderen Produzenten gewissermaßen Freiraum geschaufelt für musikalische Innovation. Ellipsis klingt anders, und das war auch bitter nötig. Der Weg steht offen … Drei Punkte entsprechen der Zukunft – einer, die ungewiss als auch mit Freude zu erwarten ist! Mon the fucking Biff.