Neues Label, neuer Gitarrist und ein zeitgemäßes Coverbild, das erstmals nicht den Namen von Chelsea Grin in eigener Schriftart und zurückhaltend klein geschrieben präsentiert! Ob es auch einen Wechsel in ihrer Musik gibt? Erfahrt es in diesem Review über ihre aktuelle Platte Self Inflicted.
Nach zwei Jahren Pause melden sie sich mit neuem Album zurück. Sechs Männer aus dem Bundesstaat Utah. Ihr Handwerk ist Deathcore, ihre aktuelle Position in der Szene befindet sich wohl auf einer Ebene oder zumindest eine Stufe unter Whitechapel und Suicide Silence. Damit geben sie momentan den Takt in einer Musiksparte an, die aufgrund ihrer gesanglichen sowie musikalischen Härte keineswegs massentauglich ist, dies wohl aber auch nicht sein will.
Die volle Portion Härte erwartet den nach neuem Material lechzenden Fan sogleich mit dem Opener „Welcome Back“. Einhämmernde Blastbeats und beachtenswerte Screams von Frontmann Alex Koehler, die noch einmal eine Steigerung zum Vorgänger-Album „Ashes to Ashes“ markieren, sorgen für eine gelungene Rückmeldung. Nachdem die Tür mit einem kräftigen „THIS IS SPARTA“ bzw. „This is Chelsea Grin“ aufgetreten wurde, verfällt die Gruppe zunächst in ihren für dieses Album prägenden Sound: Deathcore-typisch tief gestimmte Breakdown-Massaker, die allerdings noch Luft nach oben aufzeigen gepaart mit dezent eingesetzten Synthesizern, die dem Album einen leicht atmosphärischen Beigeschmack geben.
„Four Horsemen“ erinnert stückweise an den für Betraying the Martyrs bekannten symphonischen Weltuntergangssound. Religiös-konnotierte Textpassagen, die Chelsea Grin jedoch ins anti-christliche verkehrt, lassen einem Bilder von brennende Kirchen in den Kopf schießen.
Andere Motive wie Liebe werden auf diesem Album ebenfalls behandelt. Mit „Love Song“, einem Titel, der es in der Musikwelt wohl nicht das erste Mal auf ein Album geschafft hat, wird eine ehemalige Geliebte lyrisch in Stücke zerissen. Nach Chelsea Grin Manier, wird dabei kein Blatt vor den Mund genommen. Flashbacks zu alten Songs, die sich in wütender Form gegen Prostituierte richten, kommen auf. Dazu vom Djent beeinflusste tiefe Gitarren mit durchschimmernden wiederkehrenden Riffs und fertig ist der Liebessong der sechs Amerikaner.
Doch dass sie auch anders können, beweisen sie mit Titeln wie „Never, Forever“, oder auch „Life Sentence“. So erscheint die zweite Hälfte des Albums deutlich melodiöser und streckenweise, wenn auch nicht sehr lange, wagt sich Chelsea Grin in seichtere Gewässer des Metalcore. Etwa zur Hälfte von „Life Scentence“ überrascht ein knappes Solo, das auch aus dem Repertoire des August Burns Red Gitarristen JB Brubaker hätte entspringen können.
„Never, Forever“ ist der einzige Song, der wirklich eine neue Richtung andeutet und die Ketten des bisher bekannten Sounds sprengt. Nach einleitenden Klavier- und Streichorchesterklängen, setzt der von Koehler halb gerappte, aber stets noch gescreamte Gesang ein. Textlich behandelt der Song eine gescheiterte Liebesbeziehung, die allerdings weder kitschig noch aufgesetzt wirkt, sondern viel mehr echte Emotionen zum Vorschein bringt. Dem festgefahrenen Deathcore Kid wird „Never, Forever“ mit großer Wahrscheinlich zu „soft“ sein. Zählt man jedoch zu der Fraktion, die sich auch gerne einmal ein Album am Stück anhört und nicht immer nur dieselben drei Lieblingstracks von jeder Platte abspielt, tut eine solche Pause gut. Auch textlich merkt man diesem Song ein gewisses Niveau an, das mit anderen Titeln des Albums leider nicht erreicht wird.
Mit dem elften und letzten Song der Platte „Say Goodbye“ nehmen Chelsea Grin wieder etwas mehr Fahrt auf und kehren in aggressivere Fahrwasser zurück. Engelsgesangs-Passagen und deutlich im Vordergrund gemischte Gitarren-Riffs peppen den Closing-Track des Albums auf, welche ihn zu einem der besseren Titel der Platte machen.
Wer im Jahr 2016 offen für neue musikalische Versuche ist, der darf mit Chelsea Grin gespannt sein, wohin die Reise geht. Zwar befinden sich die sechs Musiker aus Utah immer noch im sicheren Hafen, den man einst Deathcore benannte, jedoch sind vereinzelte Ausrisse in „Self Inflicted“ spürbar. Das zukünftige Klangbild der Band wird mit Sicherheit das nächste Album bestimmen. Sollten sie den Weg zu melodiöseren und kreativ eingestreuten Parts, die bereits vereinzelt zu finden sind, einschlagen, wird dies der Band definitiv keinen Abbruch tun. Ein solcher musikalischer Wechsel hatte nicht zuletzt das Ausscheiden des Lead-Gitarristen Jason Richardson vermuten lassen. Dieser konzentriert sich indes um sein Soloprojekt, das er mittels Crowd Funding stemmt.
„Self Inflicted“ wird neben der Aufbruchstimmung in neue Gewässer definitiv keinen Meilenstein in der Deathcore-Geschichte setzen. Dazu mangelt es an Ideenreichtum und Texten, die im Kopf hängen bleiben und auf niveauvolle Weise die Nachricht des Songs eintrichtern. Jedoch zeigen die Jungs von Chelsea Grin, dass sie sich mit jedem der vergangenen Alben stetig verbessert haben und es noch Luft nach oben gibt. Das Potential ist vorhanden, in Zukunft gilt es dieses in vollen Zügen auszuschöpfen!