Ganz schön frech, dieser Herr Frank Iero. Zuerst released er mit seinem Nebenprojekt FrnkIero AndThe Cellabration ein Album, dann noch eins mit dem Industrial Projekt Death Spells, dann benennt er seine Hauptband auch noch um. Mit Frank Iero and the Patience präsentiert sich der Ex-My Chemical Romance Gitarrist von seiner rauesten Seite und spuckt dem Zuhörer lächelnd ins Gesicht.
„Was, morgen schon Aufnahmesessions? Scheiße. Dann übe ich wohl nochmal meinen Part.“ In der Tat könnte man meinen, das Album „Parachutes“ wäre eine spontane Ausgeburt des Amerikaners gewesen. Circa so (absichtlich) unausgereift wie das Album Artwork ist nämlich auch die Musik, die sich unverschämt bissig an den Zuhörer klammert. Die Gitarren sind bis zum Maximum aufgerissen, das Schlagzeug scheppert lautstark daher und der Gesang klingt nach Mittelfinger. „World Destroyer“, der erste Song der Platte, ist geprägt von wellenartiger Abwechslung zwischen Chaosrock und fragilem Gesang mit Klimpergitarre. Iero wirkt hierbei so, als hätte er so wirklich Null Bock auf seine Gesangsparts und rotzt diese mit einem solchen Punk Ethos heraus, dass einem die Spucke wegbleibt. Man kann es ihm aber einfach nicht übel nehmen. Der Produzent hat wirklich ganze Arbeit geleistet, den Mann mächtig angepisst klingen zu lassen – So klang Punk schon lange nicht mehr. Auch in den Folgesongs „Veins! Veins!! Veins!!!“ und „I’m A Mess“ wird das Fass zum Überlaufen gebracht. Gesang doppelt aufnehmen und paar Effekte draufschmeißen? Fehlanzeige. Das Endprodukt erinnert wohl eher an eine ranzige Session im Proberaum, bei der man sich denkt, das muss reichen.
Bei seiner Expedition im Herzen des Punk stößt Iero auch auf andere Subgenres, die ihn gekonnt auf seinem Weg begleiten. Da haben wir einmal „They Wanted Darkness“, welches zuerst mit Bass und Drums vor sich hin raschelt und wenig später so klingt, als würde der Sänger die 90er im Lichte Nirvanas wiederbeleben wollen. Und dann ist da noch „I’ll Let You Down“, eine rockige Countryballade, die wohl auch mit Jack Daniels bei einem saftigen Steak auf der Veranda genossen werden könnte. Neben diesen kleineren Exkursionen zieht sich aber konstant das Bild eines energiegeladenen Rockers, der Frust ablassen will, durch die Tracklist. Bei „Remedy“ könnte man einen wundervollen Kitschsong erwarten, bis Iero mit kratziger Stimme das schöne Bild auf den Boden wirft und mit den Glasscherben seine Initialen in die Wand ritzt.
Auch bezüglich des Mixings wählt der Künstler durchweg den unkonventionellen Weg. „Miss Me“ verteilt alle Instrumente so auf den Ohren, als würde man zwischen den Musikern stehen statt vor ihnen. Hier fällt erneut die lustlose aber geniale gesangliche Darbietung des Frontmanns auf, die dem gesamten Album eine ungeheuer bittere Note verleiht. Andere Lieder wie „Oceans“ oder „Viva Indifference“ wirken so, als würde Iero den Zuhörer darum bitten, ihn doch verdammt nochmal endlich alleine zu lassen, während er an seinem Instrument übt. Schreie, verstimmte Gitarren, prügelnde Schlagzeugrhythmen und nahezu explodierende Kopfhörer im Song „9-6-15“ schließen das Album ab und lassen den Zuhörer verstört, aber zufrieden zurück.
Obwohl Iero selbst behauptet, er sei während der Aufnahmen wesentlich sicherer gewesen als beim Vorgänger, so klingt „Parachutes“ nach dem kompletten Gegenteil. Hier findet sich wirklich keine leichte Kost für den Alltagsmusikliebhaber, sondern Musik, die die alten Zeiten honoriert und den Sound des Punk mit lyrischen Anleihen des Emocore verbindet. Verspielter, aggressiver und bockiger als vorher liefern die Lieder dieses Mal den perfekten Soundtrack für frustrierte Teenager als auch Erwachsene ab. Frank Iero and the Patience sind ein ungeschliffener Diamant, der sich weigert, glattgebügelt zu werden. Rock ’n‘ Roll, Baby.