Review: I Saw Daylight – бессонный

I Saw Daylight, eine fünfköpfige Melodic-Hardcore-Band aus Ulm, machen seit 2011 zusammen Musik und haben bereits drei EPs sowie eine Split-EP mit der Band Deceits veröffentlicht.

„бессонный“, das übersetzt übrigens „schlaflos“ bedeutet, reiht sich soundtechnisch passend in die anderen Releases der Band ein. Sehr expressive Shouts, treibende Drums, emotionale Leads und herzzerbrechende Texte kreieren eine Klanglandschaft, die für jeden Fan von gängigem Melodic- und Post-Hardcore sofort ansprechend ist. Dabei verzichtet die Band gänzlich auf clean gesungene Vocals und sorgt mit den ruhigeren Parts für den meisten Wiedererkennungswert.

Mitten im Song „Swallow Me Whole“ beispielsweise werden die treibenden Drums plötzlich sehr langsam und statt Powerchords gibt es atmosphärische Leads, die gepaart mit der leidvoll geschrienen Stimme für eine äußerst emotionale Stimmung sorgen. Rhythmisch ist das besagte Stück auch einer der interessantesten. Auf den anderen Songs wirken die Drums oft als seien sie nur Mittel zum Zweck. Einige rhythmische Finessen könnten den allgemeinen Klang deutlich abwechslungsreicher gestalten und die Wiedererkennbarkeit steigern.

Lieder wie „Introversion“ und „Sing Me To Sleep“ ziehen sich etwas in die Länge und „The Golden Ratio“ bedient sich vieler Wiederholungen. Auch fehlt es der Rhythmusgitarre oft ein wenig an Druck. Obwohl es keine Breakdowns gibt, wie man sie aus Hardcore und Metalcore kennt, und sich die Gitarren so gut wie nie an Palm Muting bedienen, fehlt der Explosionsmoment wie beispielsweise bei dem an Post-Rock erinnernden Aufbau von „Irrealis“.

Die Band überzeugt jedoch mit interessanten Songstrukturen bei „Irrealis“ und „The Haunting“. Letzterer ist der vielleicht beste Track der EP, da er trotz knapp sechs Minuten Spieldauer nicht langweilig oder unnötig in die Länge gezogen wirkt. Das liegt vor allem an den gesungenen Stimmen, die zwar nicht annähernd perfekt sind und noch einiges an Arbeit benötigen, aber für Abwechslung sorgen und zeigen, dass I Saw Daylight durchaus in der Lage sind, sich etwas zu trauen. Sehr markant ist außerdem der von Trommelwirbel unterlegte Mittelteil, der von einem Monolog des Sängers geführt wird und damit sehr an ähnliche Parts der Band Being As An Ocean erinnert. Dabei klingt es als würde seine Stimme absichtlich schwächeln und kollabieren, was der Emotionalität sehr zugute kommt. Auch passend sind die Gangvocals, die gegen Ende des Songs und auch in vielen anderen Stücken der EP zu hören sind. Die Stimme des Sängers neigt dazu etwas monoton zu klingen, da sie meist in exakt der selben Tonlage bleibt. Daher sind Gangvocals, etwas Melodie im Gesang und der Gebrauch der Stimmen anderer Mitglieder wie beispielsweise im ruhigen Part von „Irrealis“ gut für die Abwechslung. Das von einer unverzerrten Gitarre gespielte Outro auf „The Haunting“ rundet sowohl den Track als auch die EP sehr schön ab und erzeugt durch das Delay und die gefühlvolle Melodie eine emotionale Atmosphäre.

Der mit Abstand wiedererkennbarste und ansprechendste Part ist der Chorus von „Sing Me To Sleep“. Melodische Shouts, sture Viertel auf den Drums und der Rhythmusgitarre, die von treibenden Oktaven seitens der Lead-Gitarre unterstützt wird, sorgt für Gänsehaut und erinnert stark an Aspekte aus dem Bereich des Post-Rock. Solche emotionalen Momente sind eine deutliche Stärke der Band. Jedem, der etwas für gefühlvolle und melodische, aber dennoch harte Musik übrig hat, sind I Saw Daylight zu empfehlen.